DasSchlaunGymnasiumOstern1959


Wolfgang Fahl
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O S T E R N 

1 9 5 9

�F o t o g r a fi e  -

xiMl

Richtig sehen kann man schon mit einer Kamera

f ü r  D M  1 9 . 5 0

Nehmen  Sie  unsere  Beratung,  Fotokurse  und  Hauszeitung  In  Anspruch!

D a s  S p e z i o i h a u s 
S a l z s t r a ß e 

6 1 

f ü r  d e n  F o t o a m a t e u r
4 3 6 5 8 / 5 9

T e l e f o n 

CARL  FLORA  •  MÜNSTER  (WESTF.)

N A T Ü R S T E I N I N D Ü S T R I E

M A R M O R - 

U N D 

M A R M O R

G R A N I T

S A N D S T E I N

M ,

1 9 0 0  —  1 9 5 0

HERMANN  BQRCHARD

H O C H 

- 

U N D 

T I E F B A U

S T A H L B E T O N 

- 

H O L Z B A U

MÜNSTER  (WESTF.)

L A Z A R E T T S T R A S S E 

2 3  R U F 

4 0 2 

9 3

�Das Schlaun-Gymnasium

Scluilzeitung  für  die  Schüler,  Lehrer,  Eitern,  Ehemaligen  und  Freunde

des  Schlaun-Gymnasiums  zu  Münster  (Westf.)

N r .  1 7  O s t e r n  1 9 5 9  P r e i s ;  0 , 8 0 

( f ü r  S c h ü l e r  0 , 5 0 )  D M

Ferienordnung  1959/60

F e r i e n

O s t e r n
Pfingsten
S o m i m e r

H e r b s t

W e i h n a c h t e n

E r s t e r  F e r i e n 

t a g

Letzter  Ferientag

Donnerstag,  26.  3.  1959
Saimstag, 16. 5. 1959
Mittwoch,  1.  7.  1959
Samstag,  17.  10.  1959
Mittwoch,  23.  12.  1959

Mittwoch,  8.  4.  1959
Dienstog,  19.  5.  1959
Dienstag,  11.  8.  195?
Montag,  26.  10.  1959
Donnerstag,  6.  1.  1960

D I E 

N Ä C H S T E 

N U M M E R

unserer  Schulzeitung  erscheint  Ende  Juni.
R e d a k t i o n s s c h l u ß :  5 .  J u n i .

Den  Linolschnitt  auf  der  Titelseite  fertigte  Ludwig  Niesert  (Oils)

�Brief  an  meinen  Neffen  Peter,

der,, das Klassenziel nicht erreicht" hat
P e i e r !

e b e r 

L i 
Ehrlich gesagt; im stillen holte ich längst diomit gerechnet. Und nun ist es so

weit.  Du  bist  also  —  sitzen  geblieben.

Was  nun  Ja,  was  nun?  So  hat  sich  Deine  Tante  auch  einmal  gefragt,  als  ihr
zum erstenmal in ihrem Leben (es. waren liebe Gäste geladen) das Mittagessen
angebrannt war. Später wußte sie, was sie zu tun hatte: sie mußte halt noch ein
mal von vorn anfangen — einkaufen, abwiegen, zubereiten, würzen, abschmecken
und  kochen.

Das  wirst  Du  auch  müssen.  Am  besten  versuchst  Du  es  miit  „guter  Miene"  und

Gel.assenheiit.  Dann  geht  es  am  besten.

Du  meinst,  .Deine  Lehrer  treffe  vor  allem  die  Schuld?  Das  kann  ich  nicht  recht
einsehen.  Odier  sie  müßten  heutzutage  anders  sein  als  zu  meiner  Zeit  Da  waren
sie eher zu nachgiebig als unerbittlich. Was wir denn bald raus hatten und aus
nützten.  Aber  —  das  war  einmal.  Zurück  zu  Dir,  zu  Deinem  kleinen  österlichen
Weh. Soll ich Dir einige Mittelchen nennen, d.ie Dir von Nutzen sein könnten? Sie
sind  probat:
1.1 Du mußt nicht arbeiten wollen, wenn Da spielen darfst, und wenn Du arbeitest,
mußt Du nicht spielen. Das hört sich einfach an, ist es aber nicht. Es ist i. G.
recht  schwer,  immer  ganz  zu  tun,  was  man  tut.

2.  Da  Dir,  wie  ich  vermute,  alle  Radio-Stationen  der  Welt  und  alle Automarken
völlig vertraut sind, laß es dabei sein Bewenden haben und kümmere Dich nicht
weiter drum! Du willst ja weder Ansager noch Taxifahrer werdea Aber ein
a n d e r e s  b e d e n k e :

3.  Du  wirst  das  Wunder  des  Frühlings  ebensowenig  aus  der  Welt  schaffen,  wie
andere das fertig gebracht haben. lEs ist einfach da. Daran ist nichts zu machen.
Also mußt Du es gar nicht erst versuchen, Rücke ihm vor allem nicht mit latei
nischen Vokabeln zu Leibel Das. verträgt wohl der Früihling, da er unverwüst
lich ist, aber nicht Dein Latein — und Du selber auch nicht. Laß den Frühling
vielmehr Frühling sein und erfreue Dich an seinen immer neuen WundernI Da
für  sind  sie  da.  Und  erfreue  Dich  ebenfalls  an  dem  —  wenn  auch  ganz  ande
ren — Wunder der lateinischen Sprache! Auch sie ist zu Deiner Freude, nicht
z u  D e i n e m  L e i d e  d a .  J e d e s 

i n  s e i n e r  A r t .

4.  Mißerfolg  kann  Dein  bester  Lehrmeister  sein,  wenn  Du  ihn  zu  Deinem  Lehr

m e i s t e r  m a c h s t .

5. Ja, und was noch, damit Du nächstes Jahr nicht noch einmal , . .? Lieber Peter,

nur  ein  ausgemachter  Dummkopf  würde  das  fertig  bringen..
Das laß Dir gesagt sein von Deiner Dich herzlich grüßenden

T  ante  T  r  u  d'e  I

2

�Leserstimme

Die meisten Schulen haben gar keine, mehrere Schulen haben eine schlechte,
einige wenige Schulen haben eine gute Schülerzeitung. Das Schlaun-Gymnasium
hat eine Schdzeitung. Mit zunächst verblüffenider Selbstverständlichkeit wird an-
genomimen, daß zum Schulbereich neben Schülern und Lehrern auch die Eltern, die
■Ehemaligen sowie die Freunde der Schule gehoren. Für sie alle ist die Schulzeitung
da. Meihr zui sein, beansprucht .sie nicht; ober ich würde sie auch mit Freude lesen,
wenn ich nicht zum Schlaun-Gymnasium gehörte.

Ich will gleich sagen, warum. Es fehlt hier die bei Schülerzeitungen sonst so
beliebte ,Meckerecke'. Eine Schulzeitung;, zumal, wenn sie so vornehm aufgemacht
ist wie unsere und diese Vornehmheit im Gehalt nicht vermissen läßt, hat eine
solche Rubrik gar nicht nötig. Eine Tageszeitung kann über dieses und jenes
schimpfen; eine Zeitung, die nur einmal im Vierteljahr erscheint, muß für ein Vier
teljahr  Stoff  bieten,  muß  auf  Qualität  sehen,  darf  den  kostbaren  Raum  nicht  für
Themen verschwenden; die nur 24 Stunden lang interessant sind.

Ein zweites kommt hinzu. Mir ist das aufgegangen, als ich das Heft von Ostern
1958 las. Da sind Abschnitte aus den Lebensläufen von drei Oberprimanern abge
druckt. Der Lebenslauf; das vielleicht ungeschminkteste Bild des Menschen, das
auch dann noch wahr bleibt, wenn es sich mit einem wohl ausgesuchten Rahmen
umgibt, ist charakteristisch für diese Zeitung, Er kann in verschiedenen formen
auftreten: als Erlebnisaufsatz, Fahrtenbericht, als Tagebuchaufzeichnung oder Sach-
baschreibung, manchmal in Versen, meistens in Prosa. Er ist für diese Zeitung ■ent
scheidend. Man kann vieles für sich daraus .gewinnen und lernt manches verstehen.
Und  welchen  Sinn  sollte  eine  Zeitschrift  sonst  haben?

Noch ein drittes ist mir aufgefallen. Diese Zeitung hat eine Redaktion. Man
m.ag sagen, jede Zeitung habe eine Redaktion, die verantwortlich ist und die Sache
organisiert. Aber .darin erschöpft sich die Arbeit einer Redaktion nicht. Die Redak
tion muß auswählen, sie muß vor alle.m aber die Texte bearbeiten. Stallt m.an je
mandem  die Aufgabe,  verschiedene  Brüche  zu  addieren,  so  wird  mion  ihn  nicht
schelten, wenn er sie zuerst gleichnamig macht. Nenner und Zähler mögen sich
beim einzelnem .Bruch verä.ndern, der Wert bleibt allem.al derselbe. So muß auch
der gute Redokteur all die Beiträge (fast hätte ich gesagt; den ganzen Bruch) auf
einen Nenner bringen. Wenn er das tut, dann heißt das nicht, .daß er alles
besser können will, oder daß er nach Lust und Laune handelt. Er ord.net nur alles
richtig ein, diamit es seiner Zeitung nicht so geht wie manchen modernen Bildern,
wo die Nase da sitzt, wo wir gewöhnlich ein Ohr haben, und .der Mund aussieht
wie eine verrostete Fahrradkette. Ich habe nichts gegen moderne Kunst, wohl aber
etwas gegen derartige Zeitungen. Schon jetzt bin ich gespannt, was an diese m
„Bruch" alles verändert ist, wenn -Ich ihn gedruckt lese, und welche Überschrift er
wohl  bekommt.

3

�Wenn wir ansonsten emmol unzufrieden mit unserer Schuilzeitung sein sollten,
donn gibt es zwei Möglichkeiten, dem aibzuhelfen; selbst gute Beiträge zu liefern
oder sich andere Schülerzeitungen schicken zu lassen und diese vergleichsweise zu
l e s e n . 
h
NB.:  Die  Schriftleitung  sah  sich  nicht  veranlaßt,  an  obigem-  „Bruch"  etwas  zu
ändern, weil der Verfasser -den „ge-meinsamen Nemn-er" von sich aus ge
funden hatte, wofür wir ihm sehr dankbar sind. Für solch e n „Bruch" sind
wir  übrigens  immer  -dankbar.

M 

u 

a 

n 

i 

s 

c 

Unsern Oberprimanern zum Abschied

die  in  ihrer  Arbeitsgemeinschaft  Dürrenmatts
„Romul-us  der  Große"  für  uns  einstudierten.

Wenn Sie nun einige Jahre von uns fort sind, woran wenden Sie sich dann noch
genau und gern erinnern? K-oum on den Unterricht, vielleicht noch an eine gemein-
-sam-e Klassenfahrt, ober sicher an dieses Stück, das Sie zusammen geprobt und
gespielt  haben.
Das schöne Bühnenbild wird Ihnen einfallen, das Herr Dr. Klockenbusch, Ihr
Regisseur, gemacht hatte, -vielleicht werden Ihne-n sogar einige Vers-e- Ihrer Rolle,
die Sie gespielt hoben, wieder über die Lippen kom/men, sicher -ober wenden Sie
die klangvollen Namen der K-aiser+iuihner und mit ihnen das vergnügliche Lachen
hören, das Ihnen -da-mals immer wieder aus der viele Male voll besetzten Aula
entgeg-engescblagen ist. Sie werden -diann gar nicht mehr wissen, worum es in die
sem Stück -eigentlich ging. Nur Gipsbüsten werden Sie immer noch nicht ohne eine
gewisse Geringschätzi-gkeit anschauen können, und von Steinsäulen, mögen es nun
ionische oder „stalin-a-lleenistische" sein, werden Sie für olle Zeiten wissen, daß
man auf sie die Welt nicht gründen kann. Ja, und wenn es — oder sich — einer
mal wieder so gar sehr wichtig hat, dann wenden Sie sicher nicht umhin können.

Das  Fachgeschäft  für  gute  Blumenspenden

ßahnhofstr. 2 (Ecke Servatiiplatz) Telefon 3 59 36 Wolbecker Str. 20

M ü n s t e r 

i .  W e s t 

f .

4

�ein  ganz  heiles,  durcbdrinigendas  Hühnergegocker  loszulassen  und  an  DOrrenmatts
großen Kaiser zu denken, der, mag man sonst von ihm halten, was man will, doch
wenigstens  wußte,  wiei  klein  und  unbedeutend  er  vor  den  großen  Gängen  der
Geschichte  war.

Und  uns  brauchen  Sie,  sollten  Sie  dann  eines  Tages  wieder  einmal  bei  uns  her
einschauen  und  an  unseren  Gesichtern  merken,  daß  wir  Mühe  haben,  uns  an  Sie
zu  erinnern:  uns  brauchen  Sie  dann  nur  das  Stichwort  ,,Romulus  der  Große"  zuzu
flüstern, und Sie wenden spüren, daß wir dann schnell wieder im Bilde der Bühne,
bei der Hühnergockerei, bei dem Spaß, den wir gehabt hoben, und bei Ihnen sind,
ob Sie nun der Diener oder der Imperatoin, der Koch oder der imimermüdte Soldat
w a r e n . 
.

S 

h 

c 

o 

. 

. 

Elternabend "am Schlaun-Gymnasium

Am  Mittwoch,  idem  3.  Dezember  1958,  um  20  Uhr,  versammelte  sich  in  Anwe
senheit  von  Herrn  Stadtschulrat  Dr.  Hoss  als  Vertreter  der  Stadtverwaltung  die
Schulgemeinde  des  Schlaun-Gymnasiums  in  der  Aula  der  Schule.
Der  Vorsitzende  der  Schulpflegschaft,  Rechtsanwalt  Dr.  Freudiger,  eröffnete
den  Abend  mit  herzlichen  BegrüßungsWorten  und  sprach  im  Namen  aller  Beteilig
ten  die  Hoffnung  aus,  daß  sich  der  Wunsch  nach  einer  eigenen  Schule  ohne  den
leidigen  Schichtunterricht  nun  bald  erfüllen  möge.

5

�Der  Leiter  der  Schule,  Oberstudiendirektor  Dr.  P  I  a  te,  entbot  allen  Gästen  den
Gruß  der  Schule  und  rmachte  die  Eltern  zunächst  mit  dem  neuen  Erla;ß  des
K u 11 uis m i n i s te r s über die Hausauf-goben und schriftlichen Klassen arbeiten
bekannt. Das geschehe, so bemerkte er, nicht zuletzt in der Aibsicht, die Schule vor
den zahlreichen Angriffen von außen zu schützen, die nur zu oft aus mangeinder
Sachkenntnis geführt würden. Es folgten eine Reihe persönlicher Bemerkungen zu
den  wichtigsten  Punkten  der  Erlasses.  Vorweg  stellte  der  Direktor  fest,  daß  die
Schule nicht eben glücklich darüber gewesen sei. Immerhin hätten die Schulmeister
sich nicht serienweise das Leben genommen. V/ozu auch? „Denn", so sagte Dr.
Plate, „eine auf den Tag genau 38jährige Schulpraxis hat mich gelehrt, daß man

Leh re rk o ll eg i um 1925

Dr.  Lücke  Dr.  Hastenplug  Burgholz  Sallandt
K r e k e l e r  D r .  V i e f h a u s  H a r t m a n n  W e d e w e r
Dr.  Heesen  Dr.  Heesing  Bufe  Dr.  Schlosser

Dr.  Schimmöller  Kemper  PIeßmann  Dr.  Oebike  Dr.  Hoeltzenbein

B e h r e  B o l l e 

I I  D r.  B o l l e 

I  D r.  H a g e m a n n  L o s s e

Romberg  Frieling  Dr.  Corsidreß  Dr.  Rick  Schmidt  freibüter

Dr.  Jacobi  Prof.  Sommers  Prof.  Dr,  Poelmann  Dr.  Steffen

Klaiber  Dr.  Siehoff  Dr.  Hoffschulte  Dr.  Bohlen

6

�es in Germcinien nun einmal nicht lassen kann, sich für die Schule beständig etwas
Neues  ouszudenken,  es  zu  erproben  —  und  dann  wieder  zu  verwerfen."  Man
dürfe sich mit der on sich erstaunlichen Tatsache beruhigen, daß Erziehung trotz
d e m 

i m m e r  n o c h  z u s t a n d e  k o m t m e .

Zu  den  Bestimmungen  des  Erlasses  führte  Dr.  Plate  aus,,  daß  die  Ursachen
der  überbürdung  der  Schüler,  von  der  der  Erlaß  spreche,  nicht  in  erster
Linie in der Schule zu suchen sind,, sondern in der pausenlosen Berieselung der
jungen  Menschen  mit  den  vielerlei  Reizen  des  modernen  Lebens,  Unter  diesen
Umständen sei es für die Jungen allerdings sehr schwer, sich geistigen Aufgaben
hinzugeben. Rechte Bildung sei ohne Muße nicht zu' erlangen, und es sei darum
sicherlich richtig, daß die Schule den Jungen durch den Verzicht auf die Hausauf
gaben zum Montag und durch eine sorgfältige Stoffauswahl mehr Zeit zur Muße
einräume. Freizeit jedoch sei noch keine Muße und verkehre sich mit bloßem Fern
sehen und Kino gar in ihr Gegenteil. Nur die Muße aber führe zu einer Besinnung
und damit zu der angestrebten Beruhigung und Sammlung der Kräfte. Hier sehe
er eine der ernstesten Aufgaben des Elternhauses, Man überlege sich nur einmal,
wie ein Kind „zu sich" kommen solle:, wenn es z. B. von Freitagabend bis Montag
morgen  mit  den  Eltern  unterwegs,  ailso  doch  ganz  „außer  sich"  ist.  Außerdem
stelle sich hier sogleich die Frage, wie dem „Blauen Montag" zu begegnen sei, der
bei einem solchen Mißbrauch des freien Wochenendes kaum ausbleibe. Nun leuchte
es aber allen Einsichtigen ein, daß die Schule nicht auch noch auf konzentriertes
Arbeiten am Montag verzichten kann. Der Monfag also sei zwar aufgabenfrei,
ober  nicht  frei  vom  „Do-Sein".

A b i t u r i e n t i a  1 9 1 9

7

�Die Schrecken der schriftlichen K 1 a s s e n a r b e i t e n, so fuhr der Schuiileiter
fort, seien ihm aus seiner eigenen Schulzeit nur allzu gut bekannt, und immer wie
der habe er sich gefragt, wie die einer schriftlichen Klassenarbeit eigene nervöse
Atmosphäre zu entspannen sei. Ganz gelinge das wohl nie. Zuweilen genüge aber
schon eine kleine Aufmunterung oder ein freundliches Wort, um den Bann zu bre
chen. Der Schwierigkeitsgrad aller schriftlichen Klassenarbeiten entspreche selbst
verständlich  dem  Niveau  des  mittleren  Schülers.  Einem  Absinken  des  Niveaius  müsse
entschieden entgegengewirkt werden aus Gründen, die ein russischer Pädagoge
unserer  Tage  wie  folgt  formuliert  hat:  „Wir  Russen  kennen  nur  eine  Höflichkeit
gegenüber den jungen Menschen, nämlich sie mit hohen Anforderungen für das
Leben  stark  zu  machen."

Zu  dem  Punkt  „Arbeitsmethode"  sagte  Dr.  Plate,  es  sei  seltsam,  daß  es,
obwohl die Zahl der eigentlich dummen Kinder verhältnismäßig gering sei, doch
zu  so  vielen  Ausfällen  auf  der  höheren  Schule  komme.  Es  sei  außerondentlich
schwer, alle in einem Kinde schlummernden Anlagen und Talente durch angemes
sene Erziehungsmethoden zur Entfaltung zu bringen. Die Schule sei häufig genug
Zeuge des Mißlingens und empfinde den gleichen Schmerz darüber wie der große
Albert  Schweitzer,  der  einmal  gesagt  habe:  „Wenn  man  mit  Kindern  zu  tun  hat,
ist  man  oft  verzweifelt,  was  daraus  wird."  Für  das  Versagen  in  der  Schule  nun
seien  nicht  selten  falsche  Arbeitsmethoden  mitverantwortlich,  die  so  leicht  dazu
führen, daß „ein großer Aufwand schmählich ward vertan". Bei der Verschieden
heit  der  Menschen  könne  auch  die  Schule  es  leider  nicht  allen  recht  machen,  ob
wohl  sie  sich  redlich  darum  bemühe,  und  es  seien  glückliche  Augenblicke  für  einen
Schulmeister, wenn er plötzlich fühle, daß er ein Kind ,richtig' angesprochen hat.
Hier  könnten  wiederum  die  Eltern  sehr  viel  für  ihr  Kind  tun,  setze  doch  das  Her
ausfinden der angemessenen Arbeitsmethode die intime Kenntnis des Kindes vor
aus. Auch könnten die Eltern recht gut dem Jungen dazu verhelfen, sich selbst zu
erkennen und so den rechten Weg zu finden. Jedenfalls sollten sie sich über die
gottgewollte Verschiedenheit der Temperamente freuen und gegen olle Versuche
der Gleichmacherei zur Wehr setzen. Selbst Trägheit erweise sich nicht selten als
eine  Gnade  Gottes,  und  auch  für  solche  Jungen  lasse  sich  wohl  ein  Rezept  finden,
übrigens  dürften  die  Eltern  schwer  lernender  Kinder  sich  damit  trösten,  daß  das
Gelernte bei solchen häufig zu einem festeren geistigen Besitz wende als bei den
mühelos  Lernenden.

Vor  allem  sollte  man  sich  stets  bewußt  bleiben,  daß  die  meisten  Menschen  ganz
vegetativ  handeln.  Diese  Erkenntnis  müsse  bei  jeder  Lehr-  und  Lernmethode
berücksichtigt werden. So habe er z. B. erlebt, daß die Konjugation eines lat. Verbs
in  dem  Augenblick  kein  Problem  mehr  war,  als  man  sie  vom  Musikalischen  her
(Rhythmus,  Klang)  an  das  Kind  heranbrachte.  Man  lausche  doch  nur  einmal  einer
rhythmischen Folge wie „laudo — laudas — laudat" oder genieße beispielsweise
die  Musikalität  eines  „laudabimini".

Trotz  aller  äußeren  Hilfen,  so  fuhr  der  Direktor  fort,  bleibe  freilich  d  ais  Ler
nen  die  „c  o  n  d  i  t  i  o  sine  qua  n  o  n"  für  alles  geistige  Wachstum. Auch  das
Kind empfinde schon etwas von der Lust geistiger Erkennlnis, mit der das Lernen
gleichsam belohnt wird. Um diese Lust, die wiederum der natürlichste und stärkste

8

�Antrieb zum Lernen sei, dürfe man das Kind nicht betrügen. Genau das geschehe
ober  mit  den  sattsam  bekannten  Übersetzungen  wie  sie  sich  vornehmlich  im  La
teinischen  so  großer  Beliebtheit  erfreuen.  Auf  der  Oberstufe  herrsche  dann  schließ
lich  der  Geist  vor.  Hier  werde  sehr  konzentrierte  Arbeit  geleistet,  die  ihrem  Wesen
nach weniger ein Lernen als vielmehr ruhiges Besinnen und geistige Vertiefung sei
und  darum  durchaus  im  Liegestuhl  geleistet  wenden  könne.

Entscheidend  für  alles  Lernen  aber  sei  die  Aufmerksamkeit,  an  der  es
allerdings  heute,  wie  gemeinhin  bekannt  ist,  am  meisten  hapert  und  die  zu  för
dern die Eltern sich ebenfalls ganz besonders angelegen sein lassen sollten.
Dann  sprach  Dr.  Plate  über  den  Deutschunterricht.  Mit  Sätzen  wie:
„Der  Mensch  wird  Mensch  durch  seine  Sprache"  —  oider:  „Ich  bin  das,  was  ich
spreche",  machte  er  deutlich,  welche  entscheidende  Rolle  die  Muttersprache  für
die Bildung eines Menschen spiele, zumail sich auch das geistige Wachstum vor
allem  in  der  Sprache  zeige.  Schon  in  der  Bibel  heiße  es  —  freilich  in  einem  ande
ren Zusammenhang: „Deine Sprache verrät Dich", und es sei ganz unverständlich,
daß trotz alledem selbst die gebildeten Schichten unseres Vaterlandes ihre Mutter
sprache  so  wenig  ernst  nähmen.
Den  Deutschen  Aufsatz  bezeichnete  der  Direktor  als  ein  ganz  beson
deres Sorgenkind der Schule. Einmal sei es sehr schwer für den Lehrer, zur rechten
Stunde das rechte Thema zu finden, zum anderen gebe es mancherlei natürliche
Hindernisse  beim  Schüler.  Man  denke  etwa  an  Jungen,  die  von  Haus  aus  Platt
sprechen. Die Schule wende sich gegen die /gehobene' Feiertagssprache ebenso
wie gegen die in Fonmein und Schlagworten erstarrte Amtssprache und den Zeit-
schriftenjargon. „Wer die Muttersprache wirklich hat", so sagte Dr. Plate, „kann
sich so nicht ausdrücken." Die Muttersprache lasse sich allerdings nicht „einfach"
erlernen, sondern werde nur gewonnen, wenn man sein Leben ändere. Die Schule,
so  führte  der  Direktor  aus,  ist  für  die  Werktagssprache,  für  die  kraftvolle,  unver
fälschte Muttersprache, wie sie etwa Schiller aus dem Studium der Lutherbibel zu
wuchs und wie sie das Plattdeutsche mit sicherem Gefühl bis heule bewahrt hat.
Schließlich  empfahl  Dr.  Plate  den  Eltern  einige  „garantiert  wirksame  homöo
pathische  Hausmittel  zum  Kurieren  von  Fehlern  im  Deutschen.  Gegen
Fehler in der Rechtschreibung: Man lerne jeden Tag zwei Sätze auswendig und
schreibe  sie  nach  etwa  einer  Stunde  aus  dem  Gedächtnis  nieder  —  aber  nicht  nur
zwei Tage lang! Als Universalmittel zum besseren Deutsch empfahl er: Lesen, lesen,
lesen . , . und Auswendiglernen. Dazu, so meinte er, könnten alle Eltern ihre Kin
der  wohl  erziehen.

Zur  Geduld  mahnte  der  Direktor  die  Eltern  und  Lehrer  der  Jungen  auf  der
Mittelstufe,  die  er  wie  folgt  charakterisierte:  „Mal  tönen  sie  im  Baß,  mal  quieken
sie, und genau so sieht es bei ihnen auch im Geistigen aus." Die körperliche und
geistige  Entwicklung  vom  Kind  zum  Manne  brauche  einfach  ihre  Zeit  und  lasse
sich nicht gewaltsam beschleunigen. Auf der Oberstufe beginne dann das eigent
liche Denkenlernen. Man solle sich auch hier davor hüten, die Jungen zu überfor
dern.  Es  sei  gut,  sich  immer  wieder  klarzumachen,  daß  die  Menschen  denken,
aber  nur  wenige  richtig,  daß  hingegen  alle  Menschen  fühlen  und  die  meisten
richtig.  Diese  Einsicht  sei  gerade  für  das  Erlernen  der  Muttersprache  von  der
größten Bedeutung. Mit dem ganz allgemeinen Grundsatz „Nulla dies sine linea"

9

�beschloß Dr. Pliale seine Betnachtungen zum Deutschunterricht umd sagte zusam
menfassend  :
„Es darf also keine Freizeit geben, wohl aber Muße, das Sichbesinnen und Ver
weilen im Geistigen. Nur so entsteht diefreude; Das kann ich jeWi Man muß die
Dinge in aller Ruhe innerlich wirksam werden lassen, denn nur in der Stille kann
sich der Geist entfalten. Man muß in den Jungen die Schicht zu treffen versuchen,
wo die Freude darüber wohnt, daß es weiteirgeht, daß man geistig wächst. Und
darüber sollten sich auch die Eltern freuen und sich nicht mit Noten allein zufrie
den geben." Dazu bedürfe es aber der Geduld, denn mit dem V/achstum des
Geistes stehe es ähnlich wie mit dem berühmten englischen Rasen, den man immer
wieder schneiden und sprengen müsse,bis er endlich — nach etwa 200 Jahren
gediehen sei. In diesem Zusammenhong teilte der Direktor ein kleines Erlebnis
aus der Zeit unmittelbar nach dem letzten (Kriege mit. M/öhrend einer nächtlichen
D-Zug->Fahrt fand er sich in einemi Abteil einer Dame in silbergrauem Haar ge
genüber, die zuweilen vor Ermüdung einnickte, zwischendurch aber immer wieder
auffuhr und mit eineim Rotstift eine Beethovenpartitur durcharbeitete. Es war die
greise Pianistin El ly N e^yl, die noch auf dem Wege zur nächsten Stadt und zum
nächsten  Konzert  in  einem  Zustand  zwischen  Schlaf  und  Wachen  arbeitete  und
lernte.  So  schloß  Oberstudiendirektor  Dr.  Plate  mit  dem  Wort  Robert  Schumanns
„Es ist des Lernens kein Ende" seine Ansprache, die an lebendigen Beispielen eben
so reich wiar wie an gütigem Humor aus einer Weisheit des Herzens, wie sie wohl
nur dem erfahrenen Alter eigen ist. Die Schulgemeinde dankte mit sehr herzlichem
B e i f a l l .

*

Die  zweite  Hälfte  des  Abends  gehörte  den  heiteren  Musen.  Oberprimaner
boten unter dem Motto „Beispiele zur Pflege der deutschen Sprache" drei heitere
Improvisationen auf der Szene. Dann hob zu vorgerückter Stunde ein frischfröh
liches Singen und Musizieren an, ausgeführt vom K n a b e n c h o r der S c h u 1 e,
von einer Streichergruppe und kleinen und großen Solisten unter Leitung von
Studienrat Dr. Allerup, der ein ebenso vielseitiges wie anspruchsvoliles Pro
gramm zusammengestellt und liebevoll einstudiert hatte, das in erster Linie der
Pflege der Hausmusik gewidmet war. Chor und Streicher begannen mit

„Alles  war  irdisch  ist,  muß  endlich  vergehn.
Musika bleibet in Ewigkeit bestehn"

in einem Satz aus der Zeit des SOjährigen Krieges. Hermann Hamann (von der V c),
der ,Solist des Abends', spielte mit ,AAeis1erschaft" drei kleine Stütke von Haydn,
Mozart und Beehovem Die beiden Unterprimanier Steeg und Wilms (LH s) gaben
eine schöne Interpretation der Variationssonate in G zu'vier Händen von Mozart.
Ganz besonderer Dank gebührt Herrn Dr. Allerup unid, dem Knabenchor für die
aiusgezeichinete Aufführung von Mendelssohns Duetten für Sopran und Alt (im
Chorsatz): „Gruß" (Eichendorff), „Ährenfeld (Hoffmann von Fallersleben) und „O
söh ich auf der Heide dort" (Burns) sowie für das trotz der späten Stunde mit hel
ler Sangeslust vorgetragene Schlußlied „Mädel wasch Dich", das einen so spon
tanen Beifall auslöste, daß sich die kleinen Sänger zu einem Dakapo entschließen
mußlen. Dafür brauchten sie am folgenden Tagi© erst zur dritten Stunde zum
U n t e r r i c h t 

k o m m e n . 

z u 

1

10

�Unsere  Abiturienten  1959

Vom  2.  bis  7.  Mörz  1959  fand  unter  dem  Vorsitz  von  Oberstudiendirektor  Dr.
Plate unsere diesjährige Reifeprüfung statt. Alle 58 Prüflinge bestanden die Prüfung.
E s  s i n d :
Klasse Ol m (math.-naturw.)

Dietrich  Bartsch
D i e t e r  B ö c k e r
Hans-Jürgen  Borchard
Johannes  Büker
P e t e r  E x t e r n e s t
Horst  Fehmer
Hans-Joachim Freudiger
Egbert  Gerstmann
Arno  Groll
R e i n h a r d  H e r l i t z i u s
W o l f  H i l k e
Bernd  Horstmann
E r n s t  K i r c h n e r
R u d o l f  N e i s e
K l a u s  O f f e r m a n n
Holger  Petersson
K a r l  P r i n z
Norbert  Rover
Gerd  Rowold
Hermann  Schmeing
Rudolf  Schmidt
H a r a l d  S c h u l z e
U d o  S t e l z e r
H u b e r t  T i l l k o r n
Claus  Voigt

Klasse  Ol  s  a  (neusprachl.)

H u b e r t  A b e l e r
F r a n z - J o s e f  A ß h a u e r
A x e l  B e r c h t
Bernhard  Drerup
Volker  FröndhofF
Georg  Gahn
Dirk  Grad  a  US
Dieter Hawerkamp
Manfred  Höner
Jürgen Hungerberg
Manfred Immenkamp
Winfried  Kleine
Jürgen  Kranichi

B e a m t e r
Bau-Ingenieur
Bau-Ingenieur
Theologe
Techniker
P h v s i k e r i
A r z t
OfF.zier  bei  der  Luftwaffe  der  BW
Studium der Mathematik und Physik
Jurist
Physiker
Ve rk eh rs fingen i e u r
Dipl.-Ingenieur
Voksschullehrer
J u r i s t
Studium der Mathematik und Physik
Volksschullehrer
Bau-Ingenieur
Volksschullehrer
Physiker
Dipl.-Dolmetscher
Studium  der  Pharmazie  und  Chemie
Offizier  bei  der  Bundeswehr
A r z t
Bau-Ingenieur

Kaufmann
Volksschuillehrer
Studium  der  Volkswirtschaft  und  Jura
Dipl.-Ingenieur
Philologe
A r z t
A r z t
Studium der Staats- u. Rechtswissensch.
Ingenieur
A r z t
A r z t
Philologe
Philologe

11

�Hans-Reinhard  Lehmphul
Horst  Michaelis
Rolf  Münch
Ewald  Oetter  _
BieteT^ahlen
Konrad  Pöpsel
H a n s  R e u t e r
K a r l - F r i t z  S t e l l e r
Marcel  Willamsen

Kunsterzieher
Studium der Philosophie und Soziologie
Studium  der  Germanistik
Philologe
Industriekaufmann
Schiffsbau-Ingenieur
Studium  der  Germanistik
Offizier  bei  der  Luftwaffe  der  BW
Philologe

Klasse  Ol  s  b  (neusprachil.)

Wilfried  Ast
Wolfgang  Bluimenberg
Dieter  Duwenig
Helmut  Flöel
H a n s - D i e t e r  F r e m a n n
Klaus-Dieter  Gramatke
Hans-Jürgen  Heimpold
Dieter  Kersting
Klaus  Küper
Wolf  Michaelis
R e i n e r  M ö l l e c k

Philologe
Dipl.-Ingenieur
Philologe
Philologe
Philologe
Ingenieur
Philologe
A r z t
Jura  und  Geschichte
A r z t
Dipl.-Physiker

1 2

�Entlassungsfeier für die Abituhentia 1959
Herrlicher Tag! Unigetrübte Sonne. In ider hoben Kastamie die ersten flügel

schlagenden  Stare.

Das  Trappeln  feiner  Scbuhe  auf  den  Fliesen  des  Flures.  Neben  dem  Ehrenmol
'brennt  auf  ihrem  schweren  Ständer  die  dicke  Kerze.  Beide Türen  der Aufa  weit
geöffnet. Fast alle Menschen in festlichem Schwarz, über den einrückenden J.ungen
flirrt die Erwartung. Wiedersehen mit vielen alten Beikannten.

Das feierliche Sich-Erheben zum Einzug. Die fröhlich-ernsten Gesichter der Abi
turienten. Leichte Erregung im Spiel des kleinen Orchesters. Nachdenklich-beschei
dene Dankesworte des scheidenden Schülers: „. . . und vielleicht gelingt es einem
von uns auch einmal, einen Stern zu enhasche'n . . ." Verständige Würdigung der
Schularbeit durch einen kundigen Vater. Ein neuer Cellist spielt im Schulorchester;
der alte sitzt unter den Abiturienten. N'un die Rede des Direkors, in jedem Jahr
erwarteter  Höhepunkt.  Und  es  gelingt  wieder,  denn  diese  Bilder  bleiben;  der
Manni, der am Bette der jungen Frau, 'die ein Kind geboren hat, sagt: Nu sü tou,
dat du et grout krisi — und die Weisung, das Leben an-sich-zu-nehmen, wie eine
Mutter ihr Kind an sich nimmt. Alle Nomen der Abiturienten klingen noch einmal
auf aus dem Munde des Sextaners. Schönes, spannungsloses Nebeneinander von
Anfang und Ende.. Die Zeugnisse in den Händen der Großen, der goldene Oster
hase in den Händen des Kleinen. Helle Knabenstimmen singen Abschiedslieder.
Guter Klang der Hymne: „. . . blüh im Glänze dieses Glückes . . ." iDer große
Beifall und der langsame Ausmarsch.

Letzte  Ge'Spräche  auf  dem  Flur.  Viel  Händedrücken.  Die  Kerze  am  Ehrenmal

flackert im Luftzug derer, die die Treppen nehmen.

Helles  Sonnenlicht  ouf  der  Straße.  Viele  Motoren  springen  an.  Die  Schiebe
S c h .

H e r r l i c h e r 

o f f e n . 

T a g ! 

d ä c h e r 

s i n d 

F r . 

Die  Schule  —  von  allen  Seiten  betrachtet

1. (aus der Perspektive des Sextaners)

Ein  Gymnasium  hat  den  Vorteil,  daß  man  für  jedes  Fach  einen  anderen  Lehrer
hat. Wenn nun eine Klasse einen sehr „giftigen" Lehrer hat, ist das noch gerade
zu  ertragen.  Wenn  aber  diese  Klasse  den  Lehrer  den  ganzen  Tag  hätte,  würden
viele  Schüler  die  Nerven  verlieren.

Nicht  sehr  schön  finde  ich  es,  daß  das  Schiwimimen  für  unsere  Klasse  in  dier  6.

uind 7. Stunde ist — man ko'mimt dann viel zu spät zum Mittagessen.

Weiter  finde  ich  es  nicht  schön,  daß  der  Sch.ulhof  mit  einem  so  rauhen  Material

befestigt  ist.  Wenn  man  hinfällt,  reibt  man  sich  die  Kniee  und  Hände  wund.

Falls es in der Klasse einmal laut ist, sollte der Lehrer nicht die ganze Klasse
bestrafen, sondern sich d i e heraussuchen, die wirklich, laut gewesen sind. Das
erstere ist zwar viel bequemer, aber das andere dafür nach meiner Meinung
gerechter.

1 3

�II. (aus der Perspektive des Obertertianers)

Vor ein paar Taigen kaim ich, wie schon oft, in letzter Minute zur Schule uod
stellte  mein  Rad  schnell  in  meinen  Ständer.  Dabei  dachte  ich  mir,  daß  die  Stän
derfrage im Vergleich zu früher doch gut gelöst ist. In der alten Schule mußte ich
mir  immer  erst  einen  Platz  suchen  und  verlor  dadurch  Zeit.

Auf dem Weg zum Zeichensaal scholl mir großer Lärm entgegen. Ich bedauerte
sehr,  daß  der  Zeichensaal  keine  schalldichten  Wände  hat.  Denn  meistens  dauer*
es  nicht  lange,  und  der  Herr  Direktor  steht  in  der  Tür  uind  führt  bittere  Klage  über
unser  schlechtes  Beneihmen.

Der  Mittelbau  sieht  zwar  von  außen  nicht  schön  aus  und  paßt  nicht  zu  den
neueren iFiügeln, aber er hat seine Vorzüge. Hat man nämlich einmal ein schlech
tes Gewissen und will deswegen einem Lehrer ausweichen, findet sich hierfür gute
Gelegenheit  in  den  Ecken  und  Winkeln  des  Flurs.

Das Buttenbrotspapier gehört zwar in den Papierkorb. Aber wenn niemand in
der  Nähe  ist,  wirft  man  es  gern  in  die  Gegend.  Nach  dem  Auskippen  werden
nämlich die Körbe nie wieder richtig verteilt. Die Sextaner freuen sich dann ganz
besonders  darüber,  daß  sie  das  Papier  aufheben  dürfen.

Die  Vorteile  unserer  Schule  würden,  nachdem  das  Ratsgymnasium  ausgezogen
ist,  noch  mehr  ins Auge  fallen,  wenn  diese  kleinen  Mängel  verschwänden.  Die
Lehrer würden sich dann weniger ärgern, und uns könnte dos nur recht sein.

III. (aus dar Perspektive des Primaners)

Ich besuche seit zwei Jahren das Schlaun-^Gymnasium. Wenn ich es nach einer
solch kurzen Zeit wage, Kritik an deirSchule zu üben, dann möchte ich alle herzlich
bitten, mich deswegen nicht für einen Meckerer zu halten. Natürlich habe ich nicht
die langjährige Erfahrung meiner Mitschüler, die von Sexta an die Schule besuchen;
aber ich bin auch noch nicht dazu gekommen, mich an all das, was mir nicht ge
fällt,  zu  gewöhnen;  außerdem  kann  ich,  was  ich  „bei  Schlauns"  erlebe,  mit  den
Verhältnissen  auf  meiner  alten  Schule  vergleichen.

Da  fällt  mir  gleich  die  Schülermdtverantwortung  auf.  Zweifelbs  ist
sie rührend, tätig. Es finden oft Sitzungen des Schülerparlamentes statt, und es
gibt sogar eine Verfassung. Herausgesprungen is bei den Beratungen auch schon
etwas. Seit einigen Monaten werden Tanztees abgehalten, und die Mitverant
wortung sitzt an der Kasse, wenn in der Aula Theater gespielt wird. Sicher ist das
nicht alles, wais diese Einrichtung leistet, aber ich weiß von ihr nicht mehr. Und
das finde ich merkwürdig. Die Sitzungen sind geheim. Man ka'nn sie weder als Zu
hörer besuchen, noch ist bei den 'Klassenvertretern etwas von dem herauszukrie
gen, was besprochen wurde. Dabei besteht das Schölerparlament doch aus Schü
lern,  die  wir  gewählt  haben,  und  wir  möchten  deshalb  auch  gerne  wissen,  was
in  unserem  Auftrage  getan  wird.

Auch  an  die  Veranstaltungen  unserer  Schule  denke  ich.  Sie  sind,  glaube  ich,  für
die Schule dasselbe, was die großen Feste für die Familie sind|, und ich finde es
gut, daß es an unserer Schule so etwas wie Sportfeste, Sommerfeste, Handball-,.

1 4

�Fußball-  und  jetzt  sogor  Basketballturniere  gibt,  daß  wir  einen  Schülerturnverein,
einen  Schachklub,  idie  Bannermannschaft  und  den  Schulchor  haben.  Aber  darf  ich,
weili ich selbst gern musiziere und singe, zur Arbeit des Schulchores einmal einige
Vorschläge  machen?  Wäre  es  nicht  möglich,,  unseren  Knabenchor  jetzt,  wo
wir  wieder  allein  sind,  zu  einem  großen,  gemischten  Chor  auszubauen,  der
dann vieilleicht sogar regelmäßig, wie die Schiriftleitung dieser Zeitung in Nr. 16
vorschlug, größere Chorwerke singen könnte? Ich weiß sicher, daß viele Schüler
aus den oberen Klassen das sehr gerne hätten.

Ja,  und  was  habe  ich  am  meisten  auf  dem  Herzen?  Einmal  etwas  über  das
Verhältnis  zwischen  den  Schülern  der  Oberstufe  zu 
ihren  Lehrer  zu
sogen.  Uns  ist  so  oft  gesagt  worden,  daß  wir  mit  unseren  Lehrern  zusammen  ouf
das Abitur hinambeiten. Dazu ist ein ganz persönliches Verhältnis zwischen ihnen
und uns notwendig, und das besteht, nach meinem Eindruck, leider noch nicht zur
Genüge. Ich kann es einfach nicht hören, wenn es heißt: „Müller, gehen Sie zur
Tafel!"  Dann  komme  ich  mir  vor  wie  auf  dem  Kasernenhof.  Warum  werden  wir
nicht  mit  unserem  Vornamen  aufgerufen  (und  olle,  ob  wir  nun  immer  auf  der
Schule gewesen sind oder erst kurze Zeit)? Wenn das nicht geschieht, hat man
das Gefühl, daß die Lehrer hoch über uns stehen, daß die Distance unüberwind
lich ist. Nun sind aber unsere Lehrer sicher unsere Vorgesetzten, und wir müssen
und  können  viel  von  ihnen  lernen;  aber  sie  stehen  doch  auch  da  als  Vertreter
unserer  Eltern,  die  uns  ja  auch  nicht  bei  unserem  Familiennamen  rufen.

Und noch etwas anderes ist mir nicht recht, dies nämlich: daß Lehrer und Schü
ler in den Schulgängen so oft aneinander vorbeilaufen und sich gegenseitig über
sehen. Erst in der Klasse scheinen sie sich wieder zu kennen. Ich weiß jedenfalls
nicht, ob ich meinen Lehrern, wenn sie mir im Gebäude begegnen, einen guten
Morgen wünschen soll, denn ich bin nie sicher, ob das angenehm ist oder ob es
stört. Ich wäre froh, wenn sich das ändern würde. Man könnte mit viel mehr Lust
und Mut auf dos Abitur hinarbeiten in der Gewißheit, daß man nicht Fremden,
sondern Freunden gegenübersteht.

IV.  (aus  noch  größerem  Abstand)

Jedermann weiß heutzutage, was ein Star ist; denn jedermonn weiß, wer ein
Star ist. Soviel Englisch kann doch wohl jeder, daß er dabei nicht an einen Vogel
denken muß. Von den Staren-Vögeln reden nur noch die Biologielehrer. Das Leben
der Stars hingegen kennt jedes Kind.

In  meiner  Schulzeit  freilich  war  das  noch  anders.  Mein  Direktor  wußte  z.  B.
noch  nicht  einmal,  daß  man  bei  einem  Star  in  Geduld  zu  warten  hat,  bis  er  er
scheint; und derinoch konnte er diomals Direktor sein. Was der gute Mann jedoch
in  seiner  Unkenntnis  dieser  Dinge  angerichtet  hat,  das  will  ich  berichten.^

Z u  We i h n a c h t e n  w o l l t e  d i e  S c h u l e  m i t  d e n  E l t e r n  e i n e  S c h u l f e i e r  v e r a n
stalten. Dabei sollte ein Weihnachtsspiel aufgeführt werden, in dessen Mittelpunkt
ein  längerer  Wechselgesang  der  Heiligen  Drei  Könige  stand.  Obwohl  ich  erst  vor
kurzem  von  auswärts  her  in  die  Schule  gekommen  war,  gab  es  für  den  Musik
lehrer keinen Zlwaifel, daß ich diaibei — ich war .damals Quintaner und ein ge-

1 5

�übter Vorsänger — die Altstimme zu singen hätte. Schwierigier war es, für die bei
den  onderen  Könige  den  geeigineten Tenor  und  den  Sopran  zu  finden.  Bei  den
Proben  konnte  auch  ein  Quintaner  merken^  daß  die  Stimmen  dler  drei  Könige  nicht
gleich  geschult  waren.  Aber  bei  einer  Schulfeier  kommt  es  nicht  auf  Vollkommen
heit  an,  und  mir  war  es  recht.

Oer lang erwartete Abend war gekommen. V/ir Chonknaben, als Engel verklei
det, sangen die Weihnachtsgeschichte. Nach einem feierlichen Zwischenspieli des
Schulorchesters — wir „Könige" zogen ums dabei schnell um — kam der Höhe
punkt  des Abends,  der Aufzug  der  Heiligen  Drei  Könige. Als  wir  auf  die-  Bühne
zogen,  leuchteten  um  uns  die  Kerzen  der  Chorknaben.  Im  Saal  ober  war  es  dun
kel  und  totenstilL  Und  nun  sangen'  wir,  von  Instrumenten  begleitet,  zuerst
gemeinsam, dann im V/echselgesang „unsere" Geschichte. Als ich an der Reihe
war,  sang  ich  so  versiunken,  daß  ich  alles  um  mich  herum  vergaß.  Der  ältere
König  mußte  mich  anstoßen,  damit  ich  weiterzog.  Dann  'aber  spürte  ich  von'
Strophe  zu  Strophe,  ich  weiß  nicht  woher,  daß  die  gesamte  Schulgemeinde  mehr
un'd  mehir  auf  meine  Stimme  lauBchte.  Als  wir  zu  Endie  wairen,  mußten  wir  den
Schluß  wiederholen,  und  mit  großem  Beifall,  recht  passend  für  ein  Weihnachts
spiel,  zogen  wir  ab.  Mir  aber  hatte  der  Direktor  dabei  die  Wangen  gestreichelt
und  merkwürdig,  obwohl  ich  dergleichen  sonst  nicht  gern  litt:  diesmial  hatte  ich
nichts  dagegen.

Taumelnd  und  erregt  kam  ich  im  Garderobenzimmer  an  uad  begann  mich  um
zuziehen.  Da  stürzte  ein  Primaner  herein,  um  mich  zu  holen.  Die  Eltern  wünschten
mich  noch  einmal  zu.  sehen:  der  Direktor  habe  bestimmt,  ich  sollte  die  Gewinnlose
der  Wohltätigkeitslotterie  aussuchen.  „Aber  ich  kann  'doch  nicht  mit  halbem  Staat
erscheinen?"  —  „Wirf  den  M'ontel  um,  und  komm",  wurde  'mir  entgegnet.  —
„Nein, sag dem Direktor, er möge etwas warten, ich wore gleich fertig."

Gesagt — gelan. Doch es dauerte ein kleines Weilchen. Als ich dann stolz in
die Aula gehe und eben auf die Bühne treten will, W'erde ich von einem älteren
Schüler des Orchesters am Arm gegriffen und zurückgeholten. „Ja, ober, ich. . . ."
—  „Pst!  Zurück,  siehst  Du  denn  nicht?"  —

Wahrhaftig!  Das  Herz  krampfte  sich  mir  zusammen.  Da  steht  ein  blonder  Sex
taner  neben  d'Sm  Direktor  und  schüttelt  den  Eimer  mit  iden  losen.  Ja,  durfte  er
das  denn?  Das  war  doch  imeine  Sache.  Mich  hatte  man  gerufen.  Der  war  ja  noch
nicht  einmal  im  Chor!  Bestürzt  und  hilfesuichend  zugleich  schaute  ich  in  den  schreck
lich  hell  erleuchteten  Saal.  Aber  alle  Blicke  sind  in  freudiger  Spannung  auf  den
Sextaner  gerichtet,  niem'and  beachtet  mich.  Dai  entdecke  ich.  mitten  im  Saal,  mein-e
lächelt.  Jetzt  stößt  sie  meinen  Vater  an,  der
Mutier.  Sie  schaut  zu  mir  und 
nickt  mir  zu.  Tief  atme 
ich  auf
Zehenspitzen  zui  den  Bänken,  wo  der  Chor  sitzt,  um  mich  dort  einzuordnen,  wo
ich  hingehöre.

ich  auf  und  winke  zurück.  Dann  aber  schleiche 

Froh und müde zugleich folge ich dem Abschluß des Abends und spüre, daß
aus mir etwas ganz anderes geworden wäre, wenn wir nicht so einen altmodischen
Direktor  gehabt  hätten,  der  mir  unversehens  den  „Star  gestochen"  hatte.  U.  E

1 6

�(P^jeUautiAd^LfieiJ&m
Mit Beginn des neuen Schuliahres nehmen wir in ,einem

das Ruder^Training wieder auf.

schuleigenen  Ruderboot

Dos Boot, ein A-Vierer, wird in wenigem Wochen geliefert und soll damn einen

Namen  bekommen.

Wir rufen hiermit alle interessierten Schüler unserer Schule auf„ an der Namen-

gebumg mitzuwirken, indem sie einem Vorschlag
bei Herrn Dr. Tuchmiann obgeben.

bis zum 20. April, 1959

Derjenige, dessen Vorschlag angenommen wird, erhält einen

Bei mehreren gleichlautenden Vorschlägen entscheidet die Schriftleitung durch

P r e i s  v o n  1 0 . —  D M .

Los,  welcher  der  Einsender  dem  Preis  erhält.

1 7

�D e r  a r m e  P o e t

Eine  Bildbeschreibung

Der Rauim, in den wir hineinsehen, macht einen äußerst nüchternen, ja ärm
lichen  Eindruck.  Dos  Licht  föilt  durch  ein  Erkerfenster  ein,  trifft  ober  nicht  dos
Loger des Dichters. Rechts sieht man eine aus rohem Holz gefertigtet Tür. Decke
und Fußbaden sind aus klobigen Balken und Brettern gefügt. Sie laufen oben wie
unten einförmig-gleichmäßig und ohne jede Verzierung d'urch den ganzen Raum
aiuf  den  Eintretenden  zu.  Die  Wände  sind  schlecht  verputzt.

Das einzige Möbelslück in dem kohlen Raiumte ist ein großer Kachelofen, von
dem man nur die unbeleuchtete Seite mit fdiem Feuerloch sieht. In dessen Schwärze
liegen verkohlte Papiere. Ein Zylinderhut an dem schwarzen, grausam eckigen
Ofenrohr und eine Schale nebst Flasche' aiuf der Ofenplatte zeigen an, daß das
Feuer  nicht  brennt.  Der  Raum  wirkt  dadurch  noch  kälter,,  als  er  an  sich  schon  ist.
Unordentlich liegen gebündelte Zeitungen, ein einzelner Stiefel, ein Stiefelknecht,
steht  ein  Handstock  auf  dem  Boden.  An  der  linken  Wandt  hinter  dem  Kachelofen,

1 8

�hätiigt ein alter Gehrock an einem Nagel. Wie eine Brücke verbindet ein aufge
hängtes zerschlissenes Handtuch das Lager des Dichters mit der kahlen Wamd.
(Oder  würde  es  treffender  heißen:  Ein  zerschlissenes  Handtuch  verbindet  diese
nüchterne, harte Welt der Wirklichkeit mit der Welt des Dichters, gleichsam wie
eine Brücke zwischen beiden?)

Der  Dichter  liegt  in  der  nicht  vom  Lichte  getroffenen  rechten  Ecke  das  Raumes
auf einem einfachen Matratzenlager. Er hat seine Knie stark angezogen, so daß
sie  ihm  als  Lesepult  dienen  können.  Das  Licht  umspielt  ihn,  ohne  ihn  zu  berühren.
Er liegt zufrieden, ja glücklich da. Große, weiche Kissen hat er sich unter den Kopf
geschoben. Eine Decke wärmt ihn. Er trägt einen ansehnlichen Morgenrock, dazu
eine Nachtmütze. Nahe bei ihm sehen wir mächtige Bücher aufgestapelt und an
einandergereiht,  die  ihn  wie  eine  Mauer  vor  der  Umwelt  schützen.  Ein  fast  leeres
Tintenfaß  steht  griffbereit  neben  ihm  auf  einer  Schachtel,  dazu  die  für  ihn  wohl
unvermeidliche  T  abaksdose  —  sein  einziger  Luxus.  Ein  aufgespannter  Regen
schirm wölbt sich über dem Dichter. Er schützt ihn vor Nässe, die durch das gewiß
undichte Dach eindringen und ihn stören könnte. Die Wölbung des Schirmes bildet
mit  der  geschwungenen  Form  seiner  Glieder  und  dem  Bücheroufbou  einen  fast
geschlossenen,  schützenden  Kreis.

Der  Poet  hält  in  der  einen  Hand  sein  eben  vollendetes  Wenk  und  liest  es  sich
vor, die Gänsefeder im Munde. Mit der anderen Hand prüft er den Rhythmus und
das  Metron,  dessen  Schema  er  sich  in  den  Kalk  der  Wand  eingeiritzt  hat.  Er  scheint
z u f r i e d e n  z u  s e i n .

In der so unfreundlichen Umgebung liegt er unbeschwert und friedlich wie ein
Kind  da.  Wie  ich  ihn  so  betrachte,  meß  ich  an  ein  Gedicht  von  J.  Weinheber  den
ken,  in  welchem  es  heißt;

„Wir  einsam,  übersehn,  verkannt.
Bauein  uns  ous  Traum  ein  Heimatland
Und  teilen  jedem,  der  da  will.
Vom  gottnalh  seligen  Gefühl  .  .  ."

Dieser  Dichter  hat  sie  gefunden,  diese  andere  Welt.  Sie  gehört  ihm  und  er  ihr.
Er  ist  darin  wie  zuhause  —'  ist  in  seinem  Heimatland.  Detlef  Kra.uth  (QUI  sa)

Wie  ich  einmal  einer  alten  Frau  eine  Freude  gemacht  habe
Oma  Hohmann  in  unserm  Hause  war  krank.  Ich  wollte  igerade  zum  Spielen

gehen, da fragte sie mich: „Hans-Georg, holst dü mir wohl einen Liter Milch?"

„Ja,  das  mache  ich."
Sie gab mir 20 Pfennige zu viel mit und meinte: „Den Rest darfst du behalten."
Das  wollte  ich  nicht.  Doch  sie  ließ  sich  nicht  idavon  abbringen.  So  ging  ich  denn
zum  Milchimann,  Auf  dem  Rückwe-g  übeirlegte  ich,  wie  ich  Frau  Hohmoinn  das  Geld
zuTÜckjgeben  könnte.'  Mir  fiel  nichts  ein.  Inzwischen  war  ich  schon  on  ihre  Türe  ge-

1 9

�kommen. Ich schellte an. Als sie aufgemacht hattei, gab ich ihr diie Hand und die
Flasche  Milch.  Und  ehe  sie  wußte,  was  los  war,  war  ich  schon  die  Treppe  hin-
untergesauist.  Jetzt  erst  merkte  sie,  daß  ich  ihr  das  übrige  Geld  in  die  Hand  ge
d r ü c k t  h a ß e .

Ich  kaufe  jetzt  ijeden  Taig  für  Frau  Hohmann  ein  —  ohne  Botenfohin.

H a n s - G e o r g  D e n s e  ( V a )

Sextaner  befassen  sich  mit  der  schwierigen  Frage
Was  sie  tun  würden,  wenn  sie  Lehrer  wären

Es  ist  wohl  schwer  zu  sagen,  was  ich  tun  würde,  wenn  ich  Lehrer  wäre.  Ich  habe

zwar  vor,  Lehrer  zu  werden.

I.

Wenn  die  Jungen  garnichts  lernen  wollen  und  zu  frech  sind,  lasse  ich  sie  ein
fach  sitzen  und  beschäftige  mich  mit  dianen,  die  weilen.  Aber  Ostern  kommt  ja
das  Entscheidende;  Ich  lasse  sie  nicht  nur  sitzen,,  sondern  durch  den  Direktor  und
den  Schulrat  von  der  Schule  hinunterschimeißen.  Den  Jungen,  die  nur  manchmal
ein  bißchen  Unfug  machen,  gebe  ich  eine  Strafarbeit  auf,  wie  sie  sie  verdient
haben,.,  Ich  möchte  sie  nicht  geirne  bau,ein,  denn  das  wäre  mir  viel  zu.  anstrengend
und nähme mir viel zu viel Zeit in Anspruch. Sirafarbeiten aufzugeben ist ja viel
l e i c h t e r.

Die  Strafarbeiten  sammle  ich  vor  der  Stunde  ein,  ,und  wienn  einer  seine  Straf
arbeit ins Arbeitsheft geschrieben hat, so muß er sie auf einem Zettel noch einmal
sauber  schreiben.

Am  schönsten  ist  es  ober  wohl,  wenn  alle  artig  sind. Andre  K  au,  th  (VI  o)

II.

Ich  würde  das  etwas  anders  m,achen.  Ich  wünde  den  Jungen  meiner  Klasse  z.  B.
einmal richtig erzählen, daß es viel schöner ist, wenn alle ruhig sind. Denn dann
könnte  ich  viel  besser  unterrichten,  der  Unterricht  würde  mehr  Spaß  machen,  und
keiner  würde  ,mehr  stören.  Mit  Straforbeiten  wünde  ich  nicht  so  kleinlich  sein,  denn
der Lehrer sollte sich überlegen, daß er ja auch einmal Junge gew-esen ist. Dann
ginge  alles  viel  besser,  meine  ich.

Öfters wünde ich ein spannendes Buch aus der Schüleirbücherei nehmen. Aus
diesem  würde  ich  am  Ende  der  Stunde  vorlesen.  Wenn  dann  einer  geschwätzt
hätte,  müßte  er  sich  während  idieser  Zeit  auf  den  Flur  stellen.  Dann  würde  sich
alles  zusamimen-reißen.  Lind  keiner  wüird,e  -mehr  schwätzen.

Strafarbeitien  würde  ich  überhaupt  nicht  aufgeben,  sondern  dien  Unartigen
wünde  ich  ,eine  Ohrfeige  geben.  Eine  Ohrfelge  tut  nur  für  eine  kurze  Zeit  weh.
Aber  eine  Strafarbeit  kann  elnelm  den  ganzen  Tag  verderben.  Wenn  schönes  Wet
ter  ist,  hockt  .man  dann  den  ganzen  Tag  in  der  Stube,  was  sehr  ungesund  sein
kann.  Höchstens  würde  ich  einem  schlechten  Rechner  Rechenaufgaben  aufgeben
und  einem,  der  nicht  gut  rechtschrei-ben  kann,  etwas  zu  schreiben.  Dann  würden
sie  daraus  lernen,  unid  die  Straforbeit  hätte  Sinn.  Norbert  Frie  (Via,)

2 0

�Aus dem Biologie-Unterricht

Kennt  ihr  die  Sumpfmieise  oder  den  Kleiber?  Wißt  ihr,
wie  ein  Grünfink  oder  ein  iBaiurnläufer  aussieht?  Wenn
nicht, dann gebe ich euch einen Tip:
Diese  Vögel  sind  töigiliche  Gäste  unserer  Schule.  Genauer
gesagt  sind  diese  Vögel  zu  Gast  bei  der  Sexta  b.  Doch
ich  will  nichts  voreilig  verraten.  Zwei  Sextaner  wollen  es
e u c h  s e l b s t  e r z ä h l e n .

Es war ein strenger Winter. Die Vögel litten große Not. Der Schnee lag sehr
hoch. Da komen wir auf die Idee, den Vögeln eine Freude zu machen, und bau
ten  ein  Fulterhaus.

I.

Unser Biologielehrer brachte drei große Breiter mit. Wir gingen damit in de.n

Werkraum und bauen daraus ein Vogelhaus.

Nun  mußten  wir  überlegen,  wo  wir  es  wohl  aufstellen  könnten.  Wir  wußten
es baild: gegenüber vom Zoo haben wir es unter einem dickem Baum am Philoso
phenweg aufgestellt. Dort steht es geschützt.

Täglich geht einer von unserer iKIasse hin und füttert Kohln-jeisen, Blaumeisen,
Sumpfmeisen, Kleiber, Grünfinken und Drosseln. lEs ist schön, ihrem Treiben zuzu
sehen. Spatzen sind natürlich auch da. Wo wären die nicht, wenn es was zu
fressen  gibt!  Aber  das  macht  nichts.

Wie possierlich es dann on der Aa aussieht! Die Teichhühner kommen bis unter
das Vogeilhaus und fressen die hinuntergefallerien Körner. Kl. S c h u h mi a c h e r

Es ist gar nicht so einfach, den Nagel nicht krumm zu schlagen

21

�Der  Winter  kam  mit  Eis  und  Frost.
Da  überlegte  sich  Herr  Post,
Mit  uns  ein  Fuitterhaus  zu  baun
Und  dort  dem  Vögeln  zuzuschaun.
Als  das  Futtenhaus  fertig  war.
Stellten  wir  es  auf  an  der  Aa.
Jeden Tag muß jiemand zum Füttern gehn.
Da  kann  er  viele  Vögel  sehn.
Nun  haben  wir  einen  neuen  Plan.
Damit fängt die ganze Klasse an:
Wir  bauen  Nistkästen  für  die  Meisen  —■
Denn am Futterhaus können die Vögeil nur speisien.

R u d, i S t e i n g r u b e

Ich  warte  auf  den  Obus

Es ist noch früh am Morgen, fast noch dunkel. Das fahle Licht der erstem Däm
merung breitet sich schwach am Himmel aus und genügt gerade, die schweren
Wolken erkennen zu lassen, die grauschwarz über der Stadt hängen. Ich stehe an
der  Bushaltestelle.  Außer  mir  wartet  niemand.
Kalt und in heftigen Stößen fegt der Wind um die 'Ecke und,treibt mir Sprüh
regen ins Gesicht. Ich drehe mich um und schlage den Mantelkragen hoch. Em un
gemütliches Wetterl Ich suchie Schutz in einem Lademeingamg,.
Die Lam.pe Ober der Straße schaukelt hin und her. In ihrem trüben Licht schim
mert das nasse Kopfsteinpflaster malt auf. Ein Auto fährt vorbei. Einen Augen
blick sehe ich die stumpfe Spur seiner Reifen, dann hat sie der Regen wegge
waschen.  Mich  fröstelt.

Die schaukelnde Lampe läßt in schnellem Takt die schwarzen Pfützen aufblin
ken, die auf dem Gehwieg stehen. Ein Mann kommt heran, steigt vorsichtig über
die'diunklen Lachen hinweg und stellt sich zu mir in den Eingang. Ihm scheint d<as
Wetter ebenfalls nicht zu behagen. Seine blaue Schirmmütze hat er weit ins Ge
sicht gezogen. Seine Hände stecken tief in den Manteltaschen.

Der Bus müßte bald kommen. Noch zwei Männer und eine alte Frau finden sich
ein und tauschen kurze Bemerkungen über das Welter aus. Ich kenne sie nicht,
aber ihre Gegenwart läßt die trübe und etwas gespenstische Stimmung, die ich
anfangs empfunden höbe, schwinden.

Da höre ich ein helles Surren, das rasch laiuleir wird. Der Obusl Und schon
schwenken  seine  Scheinwerfer  um  die  Ecke.  Ernst  Brors  (Otllsa)

2 2

�Rudolf H il g e m a n n (V b)

�An  die  Schlaun-Schüler-Gewerkschaft

Als „Gew&rkschaflsboß" möchte ich zum Schluß des Arbeitsiahres 1958/59 einige
Worte an euch richten. Ihr wundert euch über eure Rolle? N.un, ich habe mich auch
gewundert, als man mich neuilich mit „Gewerkschaftsboß" anredetei Natürlich
habe ich über diese neuartige Bezeichnung nachgedacht und mich gefragt, was
der Schöpfer dieses Titels sich dabei woihl gedacht hatte. Er wollte mich wahr
scheinlich hänseln, hatte aber nicht bedacht, daß eine Gewerkschaft eine Vereini
gung von Arbeitnehmern (= Schülern) ist, deren Intenessen der Gewerkschafts
führer (ehrlich gesagt: „Boß" klingt mir zu aggressiv) gegenübeir den Arbeitge
bern (= Lehrern) vertritt. Freuen muß sich also ein Schulsprecher, der eine wahre
Schülergemeinschaft hinter sich hat. Der erwähnte Herr hatte unsere Schülerschaft
unbewußt als eine Interessengemeinschaft bezeichnet, die auf Klassenebene etwa
über einen Vorschlag berät und ihn dann dem Schulsprecher als ihrem Vertreter
vorträ-gt. Der Herr hatte dies unbewußt getan, folglich war kein iob dabei.

Und nun, liebe Kameraden, zweierlei. Zunächst sind' unter uns noch zu viele
Gleichgültige, denen nicht klar ist, daß sie durch mangelnden Einsatz das Werden
der Schuilgemeinschaft hemimen. Ist es etwa gleichgültig, langweilig/ vergeudete
Zeit, wenn unsere Fußballgruppe Spiele gegen andere Schulen austrägt? Wenn
die Handbai Ig nuppe mit zwei Mannschaften an den Stadtmeisterschaften teilnimmt?
Wenn  die  Basiketballer  unter  den  letzten  acht  Mannschaften  Westfalens  in  Dort
mund spielen? Wenn die Schachgruppe eine Schulmeisterschaft austrägt? Ich
glou:be nicht, daß alle Schüler von dem Bestehen einer Zeiichnergiruppe, einer Bast
lergruppe, einer Tischtennisgruppe an unserer Schule 'wissen. Ist es bei solcher Viel
seitigkeit nicht gerad'eizu schwierig, sich ein eintöniges Schulleben zu bereiten?

Dann: Um eine Sache kommen wir nicht herum — unsere Arbeitsgruppen brau
chen Geld. ^Es gibt bestimmt einige Leser, die fragen: wozui? Als nicht gerade
Weitsichtiger kann ich es Kurzsichtigen ja sagen: Es gibt Fahrtkosten und es gibt
Beschaffungskosten, die wir aalbst tragen müssen. Wie steht ihr da zu meinem Vor
schlag, daß jeder von uns S c ih üi I e r n zu A in f a n g d ei s neuen S c h u I -
j ahire s m i t 1,— DM b e i trögt, diese Schwierigkeit aus der Welt zu schaffen?
Ferner: Theoretisch gibt' es in ijeder- Klasse- einen Verantwortlichen für die
Schulzeitung. Praktisch ist es ziemlich still um ihn — bis zu diem Tage, an
dem die neue Nummer d'er Schulzeiliung erscheint. Dabei gibt es Themen genug.
Warum in die Ferne schweifen? — Daß die Sache nicht gegen die Lehirer, son
dern m. i t den Lehrern geht, ist selbstverständlich.

Laßt uns alo versuchen, alle Anzeichen eines „müden Haufens" zu beseitigen,
damit nicht nur e i n Lehrer im Unterbewußtsein von uns als einer Gewerkschaft
spricht. Kameraden, die nur im Hochsommer einen Vorschlag machen (den stereo
typen Vorschlag, „hitzefrei" zu erbitten), wie diejenigen, die erst nach Erschei
nen der Schulzeitung ihr Talent als Kritiker offenbaren,, ziehen am falschen Ende.
E u e r S c i h u l s p r © c h e . r

2 4

�Mein  Hobby

Mein Hobby ist das Mikinoskopieren. Ich habe mir vor vier Jahren ein kleines
Mikroskop gebastelt, mit deim ich die Oihiekte ungefähr 125mal. vergrößern konnte.
Es machte mir viel Freude, befriedigte mich aber auf die Dauer nicht, da die Lin
sen  fehlerhaft  waren  und  so  das  Bild  nie  ganz  scharf  wurdei.  Zu  meiner  Konfirma
tion  bekam  ich  nun  von  meinem  Onkel  ein  besseres  Mikroskop  geschenkt,  das  die
Objekte  450mal  vergrößert.

Es  besteht  aus  einem  u-förmigen  Fuß,  dem  Tubus  und.  dem  Objekttisch.  Unter
diesem befindet sich ein Linsensystem, durch das die Lichtstrahlen, die vom Spiegel
auf  das  Objekt  gewoirfen  werden,  auf  einem  Punkt  vereinigt  werden  können.  Vom
Objekt  werden  die  Strahlen  durch  das  Objekt  geleitet  und  gelangen  durch  ein
längeres  Rohr,  den  Tubus,  zum  Okular.

Wenn  ich  mit,  dem  Mikroskop  arbeite,,  so  stelle  ich  es  ziemlich  nah'e  an  das
Fenster,  aber  nie  unmittelbar  in  den.Lichtein,fall.  Dainefoen  stelle  ich  den  Kasten  mit
den Objektträgern und einen anderen mit den Deckgläsern. Die' Objektträger sind
rechteckige Gläschen, die etwa 6 cm lang, 2 cm .breit und 1 mm d.ick sind. Die
Deckgläschen sind so groß wie mein P'a'umennagel und haben meist quad'ratische
oder wenigstens rechteckige Form. Sie sind so dick wie starkes Papier. Neben die
sen  beiden  Kästchen  steht  ein  drittes,  das  eine  Pinzett'e,  zwei  Präpariernadeln,
eine Rasierklinge und ein kleines Messer enthält. Außerdem besitze ich noch zV/ei
kleine  Flaschen  mit  roter  und  blauer  Farbe.

Einige Tage zuvor mache ich mir einen Strohaiufguß. Von ihm lege ich einen
Tropfen  auf  einen  der  Objektträger  und  schiebe  ein  Deckgläschen  'darü'ber.  Mit
zwei Klamimern wird das Präporat am Obje.kttisch festgehalten. Mit ein'Om Zahn
rad drehe ich den Tubus mit dem Objektiv so tief, daß das Objekt fast .das Deck
gläschen berührt. Oann stelle ich den Spiegel so, daß .das Präparat vollständig
ausgeleuchtet  ist.  Nun  setze  ich  das  Okular  auf  den  Tubus  und  seihe  mit  dem  rech
ten  Auge  hindurch.

Zuerst  erblicke  ich  leinigie  verscNwomimene  Schatten,  die  sich  hin  und  her  bewe
gen.  Ich  drehe  den  Tubus  solange,  bis  ich  auf  einmial  eine  Menge  kleinier,  durch
sichtiger  Tiere  sehe,  die  überall  beiriumflitzen.  Im  linnern  der  Tiere  erblicke  ich
Punkte  und  Strichei,  die  ma.n  aber  meistens  nicht  gut  enkennen  kain.n,  d'a'  die  Tiere
sich imm'erfoirt bewegen.

Ich  lege  auch  Blattdiurchschnitte  unter  das  Mikroskop  und  untersuche  ihre  Zellen.
Das alles macht mir viel Freude und erregt meine Bewunderung übe-r diese groß
( O l l i  m )
a r t i g e  W e l t 

K l e i n e n . 

i m 

J . 

B ' ü n i n g . 

2 5

�Ein Pfingstmorgen

Wieder war eine Stunde vergongen, und die Uhr mahnte mich, endlich einzu
schlafen. irgendeine innere Unruhe hielt mich wach. Ich bemühte mich eine weitere
Viertelstunde, Schlof zu finden. Als ich aber, anstatt schläfrig zu werden, wach
und wacher wurde, sprang ich kurz entschlossen aus dem Bett und begann, mich
in oller Ruhe anzukleiden. Am Himmel zeigte sich eine trübe Färbung, die auf den
nohendien Tag schließen ließ. Meine Schuhe in der Hand„ schlich ich mich aus dem
Schlafzimmer  zum  Hundehaius.  Dort  war  „Anka",  ein  Langhaardackel,  unterge
bracht. Sie hatte mich schon gehört und stand leise winselnd vor der Tür. Ich zog
meine Schuhe an. Leise schlichen wir uns davon. Draußen lag ein wei(3er Morgen-
nebel. Es war noch nicht viel zu sehn, aber von Minute zui Minute wurde es heller,
und  der  Dunstschleier  lichtete  sich.  Nur  in  den  Bodensenkungen  blieb  ein  weißli
cher  Vorhang  zurück.

Da bedauerte ich es nicht mehr, nicht eingeschlafen zu seinj Ein leises Ziehen
des Hundes erinnerte mich daran, schneller weiterzugehen, immer dem schmalen,
ausgetretenen Pfad nach,, der zu den hohen Fichtenwäldern führt, die das Egge
gebirge trägt. Ernst und dunkel nahmen sie sieh aus in der klaren, stillen Morgen
luft, die noch von keinem Laut durchdinungen war als dem Scharren des Hundes
und  dem  GeröuSch  meiner  Schritte.  Von  hier  aus  hieß  es  vorsichtiger  gehen;  denn
hier begann das Reich der Rehe u|nd des Rotwildesl, die im Eggegebirge noch ver
hältnismäßig zahlreich anzutreffen sindi. Der Hund zitterte vor Aufregung und zog
wild an der Leine, so daß ich einen schnelleren Gong anschlagen mußte.
Lange schlichen wir so durch den Wald', bis zwischen den Bäumen der nunmehr
schon helle Tag hindurchzuschimlmern begann. Nun mußten wir noch leiser auftre
ten, und ich, machte den Hunid los, damit er weniger Geräusch verursachte. Doch
als wir an den Waldesrand kamen, war weit und breit keine Spur auch nur eines
Hasien zu sehen. Nun bewegten wir uns stets mit dem Waldrand auf einer Höhe,
so daß wir immer den freien Gebirgsrücken vor Augen hatten, von dort aber
nicht ohne weiterels gesehen werden konnten,.

Plötzlich schoß der Hund auf die ersten Böumchen einer Fichtenschonung los
und  verschwand  mit  Gekläff  unter  dem  tiefhängenden  Gezweig.  iDort  mußte  er
wohl ein Scbmalreh aufgestöbert haben; denn ich hörte ein kurzes^ helles Schrek-
ken, dann sah ich ein paar Stämmchen schwanken. Alle Disziplin außer acht las
send,  stürzte  der  Hund  mit  Gebell  dem  fliehenden  Reh  nach  und  zerriß  so  die
Stille dieser Morgenstunde. Nach einiger Zeit kam er mit hängender Zunge nach
gelaufen.
Währenddessen war ich auf einen Hochsitz gestiegen; der Hund wartete unten
geduldig. Aber auch von dort oben aus war nichts zu entdecken. Schon kletterte
ich wieder abwärts, da bemerkte ich, auf der Leiter stehend, wie sich etwa 50 m
vom Hochsitz entfernt eine Hirschkuh aus der Schonung schob. Vorsichtig sichernd
und  immer  wieder  windend  trat  sie  im  Stechschritt  auf  die  Lichtung.  Plötzlich  ver
nahm ich ein kurzes Fiepen undl sah ein kleines, gesprenkeltes Hirschkalb, das aus
den Fichten kam. Aber nicht vorsichtig, wie die Alte windend, sondern springend
hüpfte es hervor, wie ein kleiner Ziegenbock sich immer wieder mit allen vier 8ei-

2 6

�nen abstoßend^ spraog in ,die Luft und schien sich über den Tag aiusgeiessen zu
freueni
Longe sah ich ihnen iso zu. Ich konnte nicht genug belkoimrnen von dler Le
bensfreude, die aus dem munteren Tun des Kleinen sprach, wurde aber plötzlich
in meinen Betrachtungen geslört. Scheinbar bekam die Alte plötzlich Witterung
von mir, stutzte und verschwand mit dem Kalb zwischen den Fichtem
Nach einigem Mimuten hörte ich sie. noch einmal schrecken, und leise schlich ich
mich davon, um den Zauber, der . über dieser Morgenstunde lag, nicht zu zerrei
ßen. — Dies war wohl der schönste Pfingstmoirgen, dien ich fe erlebt hatte.
Klein  (Uli  so)

2 7

�Elster  und  Katze

Ein«  Elster  und  eine  Katze  saßen  in  einem  Baum.  Plötzlich  fing  die  Elster  an
zu reden. Sie sagte; „Alte Katze, jeden Tag liegst du om Ofen und schläfst. Ich
aber  fliege  in  der  weiten  Welt  herum."

Die Katze entgegnete ihr; „Du bist ein Dieb. Du stiehlst ja den Menschen ihren
Schmuck.  Ich  aber  bin  ein  nützliches  Tier.  Ich  fange  den  Bauern  die  Mäuse  und
Ratten  weg.  Daher  sind  die  Menschen  gut  zu  mir."

Danüber geriet die Elster in großen Zorn und wollte der Katze die Augen aus
hacken. Doch da hörte an einen iauiten Schuß. Ein Jägersmann hatte die Elster
abgeschossen. Die Katze aber zog lachend ihren Schwanz ein und verschwand.
H a n s K l e i n h ö l t e r  ( V t b )

I I .

Eine Katze lag schnurrend .auf der Fensterbank und blinzelte träge in die
Sonnej Die Hausfrau hatte gerade die Fenster geputzt. Damit ihr Ring nicht naß
würde, hatte sie ihn neben die Katze auf das Fenisterbrett gelegt und gesagt;
„Paß gut auf den Ring auf, Kasimirl Ich darf ihn nicht verlieren."

Da Kasimir sehr müde war, schlief er ein und merkte nicht, daß eine diebische
Elster  auf  dem  Baum  vor  dem  Fenster  auf  diesen  Augenblick  gewartet  hatte.  Plötz
lich  fuhr  Kasimir  hoch  und  sah,  wie  die  freche  Elster  schon  auf  den  blitzenden
Ring  zuschoß.

Kasimir legte seine Pfote schützend über dien Ring.
„Gib den Ring her! schrie die Elster. Kasimir aber ließ die Pfote nicht von

dem  Ring.

In diesem Augenblick erfaßte die Hausfrau, die hinter dem Vorhang gestanden
hatte, die Elsterj riß ihr den Ring aus dem Schnabel und schleuderte den Dieb aus
dem  Fenster.  Ihren  Kasimir  aiber  streichelte  sie.  Michael  Lü  h  n  (VI  b)

Winterabend auf Bahnsteig 2 des Hauptbahnhofes

Der Bahnsteig ist feucht vom Nebel, der sich langsam auf die Erde senkt. Der
Himmel  ist  stochdumkel.  Ab  und  zu  zieht  ein  Windstoß  durch  den  leeren  Bahnhof.
Die Glühbirnen unter dem Dach des Bahnsteigs schaukeln gleichmäßig. Der Schat
ten einiger Gegenstände verlängert und verkürzt sich. Ein Schauer überfällt mei
nen Rücken. Gemächlichen Schrittes gehe ich bis zum Ende des Bahnsteiges. Die
Lampen an den Masten werfen trübes Licht auf die silbern glänzenden Schienen.

2 8

�Em juinger Mann steigt die Treppen herauf. Auf der Plattform sieht er sich
hastig um. Sicher will er nachsehen, ob sein Zug schon weg ist. Dann schaut er
auf die Uhr. für den ersten Augenblick ist er beruhigt und holt tief iuft. £r hat
noch Zeit. Er schlägt seinen Mantelkragen hoch, U'in sich vor dem Wind zu schüt-
zen. Danach reibt er sich die Hände, tritt von einem Bein auf das andere und
flötet leise vor sich hin. Es sieht so aus, als ob er sich warm machen will. Ich
glaube ober, daß Unruhe dahinter steckt.

Jäh werde ich aus meinen Beobachtungen herausgerissen. Dos Rattern eines
gelben Wagens durchbricht die Stille. Mit ungleichmäßigem Kloppern nähert er
sich. Mühsam schiebt ein Postarbeiter den vollbeladenen Wagen an uns vorbei.
Hin und her schwanken die hoch aufgestapelten Pakete und Päckchen.

Unser Zug muß bald kommen. Ich schaue in die Richtung, aus ider er kommen
muß. Nachdem der Uhrzeiger ein Stückchen vorgekrochen ist, tauchen die Lichter
einer Lok im Nebel ouf. In der letzten Kurve schwenken sie herum und rasen ge
radewegs auf uns zu. Einige Minuten später sitze ich in einem warmen Abteil

Ulrich  Vieth  (Olllsa)

Weihnachten  in  Tschiertschen

Tschiertschen liegt in der Schweiz, in der Nähe von Chur. Die Häuser stehen
zusammengedrängt ouf einem kleinen Hügel. Dieser lehnt sich an eine Bergwand
on. Alle Wohnhäuser sind aus Holz gebaut und sind meistens zweistöckig. Zwi-
chen ihnen sieht man das Postamt, eine Gastwirtschaft und — die Kirche.

Wir hatten uns die obere Etage eines der Hoizhöuschen gemietet. Es hatte ein
Wohnzimmer,  eine  Küche,  ein  Bad  und  zwei  Schlafzimmer.  Die  Räume  wurden
von  einem  eisernen  Ofen  geheizt,  der  im  Flur  stand.

Einfach, aber wunderschön: das war unser erster Eindruck von Tschiertschen.
Der Wald, welcher sich den Beirghang hinoiufzog, bestand aes Lärchen, Fichten
und Kiefern. Graue, grüne oder broune Flechten hingen wie Bärte von ihren Ästen
und Zweigen. Zwischen den Stämmen glitzerte der Schnee.

Das  schönste  Skigebiet,  das  ich  bis  dahin  gesehen  hatte,  war  das  von  Tschiert
schen.  Wir  stiegen  täglich  wohl  fünfmal  den  Hang  hinauf  und  hatten  dann  eine
wohl  zwei  Kilomieter  lange Abfahrt  zum  Dorfe.

Da  schönste  ober,  was  ich  in  Tschiertschen  erlebte,  war  das  Weihnachtsfest.
Als  es  dämmerte,  gingen  olle  Einheimischen  und  alle  Gäste  in  die  kleine  Dorf-
kirchev Was mich dabei so tief beeindruckt hat, wüßte ich kaum zu sagen. Ich
könnte es auch kaum in Worten wiedergeben.. Ich weiß nor, daß es tiefe Nacht
war,  als  wir  die  Kirche  verließen,  und  daß  ich  nie  wieder  ein  Weihnachtsfest  als
so  schön  empfunden  habe  wie  dies. 
j.  Büning  (CHI  m)

2 9

�Prügelknabe ?

Drei Tage im Schuljahr sinid die Gemüter erregt. Dos sind die Tage nach der
Kiliassensprecherwahl: „£r" hat wieder seine Hand im Spiel gehabt. „Er" hat die
Kandidaten ausgesucht. „Er" hat sich sogar über den Willen der Klasse hinweg
gesetzt umd „sein" zahmes Lämmchen durchgebracht. — Der arme „Würdenträger"
selbst hört in der Klasse schmeichelhafte Worte. Er weiß drei Tage lang nicht, wie
er sich bewegen soll. Dann ist alles wieder beim altem

Im Verlauf des SchuiLjahres wird der Sprecher noch zwei- oder dreimal eine
Pausenlänge bearbeitet und'anschließend vorgeschickt, eine Freistunde oder einen
aufgabenfreien Nachmittag herauszuschinden. Er darf bei jeder Gelegenheit Geld
einsammeln, er ist es imimer gewesen; er wird bereits ousgelachti, bevor er über-
hauipt  seinen  Mund  aufgemacht  hat.

Das  ist  ein  trübeis  Bild  —  und  außer  denen,  die  gern  ein  bißchen  aus  dem
Hintergrund hetzen und sich so billigen Ruihm bei dummen Lachern holen wollen,
bedauert das jeder. Was ist da zu tun?

Erstens  muß  man  von  der  neuen  Satzung  unserer  Schülermitverantwortung  etwas
mehr kennen als die beiden Sätze: „Die Wahl (des Klassensprechers) ist geheim"
—  und:  ,/Der  Klassenlehrer  nimmt  auf  den  Wahlausgang  keinen  Einfluß."  Viel
Zündstoff wäre beseitigt, wenn auch einige der anderen Regeln beachtet würden:
Der  Klassensprecher  verfehlt  seine  Aufgabe,  „wenn  er  in  ständiger  Op
position  zum  Lehrer  steht."
Der Klassensprecher soll „die Rechte und Wünsche seiner iKIasse ...
klug  und  taktvoll  vertreten."
„Zum  Klassensprecher  kann  nur  gewählt  werden,  wer  mindestens  seit
einem  Jahr  der  Klassengemeinschaft  angehört."
„Der  Klassenspnecher  soll  befriedigende  Leistungen  aufweisen."
„Der  Klassensprecher  bedarf  der  Bestätigung  durch  den  Klassenlehrer."
„Mißbraucht der Klassensprecher das Vertrauen; so kann ihm das Amt
genommen  werden."

Wer  bei  der  Wahl  diese  Fonderungen  berücksichtigt,  kann  schon  so  etwas  wie
Qual  verspüren,  und  vielleicht  1ut  es,  ihm  leid,  daß  er  nicht  schon  vor  Ostern  mit
einem  Kameraden  darüber  nach.gedachf  hat.  Ihm  dürfte  es  erst  in  zweiter  Linie
wichtig  sein,  ob  zehn  oder  dreizehn  Minuten  der  Mathematikstunde  für  die  Wahl
geopfert  werden  müssen.

Aber  hören  wir  weiter  die  Satzung:

Der Klassensprecher „hat vor Klassenveranstaltungen (Wanderlag, Klas
senfahrt) die Klasse nach ihren Wünschen und Vorschlägen zu fragen und
diese  dem  Klassenlehrer  vorzutragen."

3 0

�„Er hat die Tagesordnun-gen und Beschlüsse der Sitzungen des Schüler-
und Oberroiies seinen Kliassenkaimeraden mitzuteiilen, sie mit ihnen zu
besprechen  bzw.  sie  zu  erläutern,"

Do hoben wir's! Diese Satzung ist völlig unmodern! Denn sie verlangt zweitens,
daß man zuweilen schweigen soll — weil der Klassensprecher spricht. Man soll
offenbar auch die Hand heben, wenn man zu reden wünscht; vielleicht sogar des
wegen weiter schweigen,, weil der Sprecher einem anderen das Wort erteilt. Man
soll schweigen, wenn einer etwas Dumimes sagt oder gar etwas, was einem nicht
gefällt.

Wer weiß einen anderen Weg, die Meinung der Mehrheit herauszufinden,

Dummheiten oder Einseitigkeiten zu vermeiden?

Eine unserer diesijöhrigen Abiturklassen hat sich vor zwei Jahren mühevoll und
anfangs unter bitteren Enttäuschunigen auf diesen Weg gemacht, und über das Er
gebnis spricht sie heute noch: über die Berlinfahrt, die sie ganz allein geplant und
bis in die Programme der einzelnen Tage hinein vorbereitet hat. Die Lehrer haben
nur  unterschrieben  und  die Aufsicht  geführt.

Leicht wird es der Klassensprecher nie haben. Er hat ja ein richtiges Amt zu
verwalten. Auch der beste Sprecher ist ganz von seinen KlaBsenkomeraden ab-
härvgig.  Er  ist  das,  was  die  Klasse  aus  ihm  macht.

Vor allem im Anfang wird es viel Verdruß geben. Aber warum gleich den Mut
verlieren?  Das  ist  doch  bei  allen  Sachen  so.  Und  vielleicht  darf  dann  manchmd
ein Lehrer helfen,.. Das ist ihm lieber, als wenn er seine Hand im Spiele haben
m u ß , 
.

v e r h ü t e n . 

ü b l e r e s 

u m 

z u 

d 

. 

. 

„Wie  Ich  mich  einmal  für  Blätter  interessierte"

In  der  letzten  Nummer  unserer  Schulzeitung  standen  zwei  nette  Aufsätze

ü b e r 

d i e 

B l ä t t e r .

Ihr  werdet  euch  erinnern.  Böse  Zungen  behaupten  nun,  das  seien  Strafarbeiten
gewesen.  Das  kann  nicht  sein;  denn  Strafarbeiten  gibt  es  nicht,  und  es  kann  doch
nicht  sein,  was  nicht  sein  darf.  Das  wußte  schon  Korff  bei  Christian  Morgen
s t e r n 

:

Und  er  kommt  zu  dem  Ergebnis:
Nur  ein  Traum  war  das  Erlebnis.
Weil,  so  schließt  er  messerscharf,
nicht  sein  kann,  was  nicht  sein  darf.

Wie  wenig  diese  bösen  Zungen  recht  haben,  ersieht  man  noch  daraus,  daß  die
Verfasser  von  der  Redaktion  Honorar  bekommen  hoben.  Seit  wann  gibt  es  für
Strafarbeiten  Honorar?  Es  waren  also  ganz  gewiß  keine  Strafarbeiten.  Quod  erat!
PI  .  .  .

31

�Hartwig Sepp Faber - eine Namenerklärung

Jeder Name soll ein Vorzeichiein seiin. Die Eltern wollen mit dem Nomen ihrem

Kinde  ihre  Wünsche  mit  auf  den  Lebensweg  geben.

In frühesten Zeiten begnügten sich die Menschen mit einem einzigen Namen.
Dieser  hafte  meist  etwas  mit  Kampf  zu  tun  oder  drückte  Mut^  Reichtum,  edlen
Charakter aus. Sie sind olle germonischen Ursprungs und bestehen aus zwei Teilen.
Zu  ihnen  gehören  Namen  wie  Hartmut  (=  einer  mit  viel  Mut  und  festem  Charak
ter),  Wolfgang  (  =  einer,  der  gern  zur  Wolfsjagd  geht),  Ulrich  (=  einer  mit  viel
Besitz). Zu dieser Gruppe gehört auch mein erster Name „Ho rt w i g". Er besteht
aus  zwei  Teilen,  nämlich  „hart"  und  „wig"  (=  Kampf).  Die  Eltern  gaben  ihrem
Jungen mit diesem Nomen den Wunsch mit auf den Weg,, er möchte ein harter
Kämpfer  werden.

Später kom dos Christentum zu den Germanen. Den Leuten wurden nun die
Geschichten von den Heiligen erzählt und vertrout. Sie hörten vom heiligen Georg,
vom heiligen Antonius, später auch von Sankt Franziskus. Do wollten monche El
tern,  daß  ihre  Kinder  so  würden  wie  die  Heiligen,  und  sie  gaben  ihnen  Nomen
wie Fronz, Georg (Jürgen), Anton. Auch die Nomen von Bibelgestolten gaben sie
ihren Kindern. Von do kommt mein zweiter Name: Sepp. Es ist eine süddeutsche
Abkürzung  von  „Joseph".  Die  Eltern  wollten,  daß  ihr  Sohn  genou  so  werde,  wie
der  heilige  Joseph  einst  gewesen  war.

Als  um  die  Jahrtausendwende  die  Städte  entstanden  waren,  gab  es  bald  so
viele Leute gleichen Nomens in einer Stadt, daß man sie nur schwer unterscheiden
konnte.  Desihalb  nannte  man  sie  aiußerdem  noch  ihrem  Beruf:  „Hortwig  der  We
ber" oder „Joseph der Fischer". Auch noch merkwürdigen Eigenschaften wurden
sie  benennt.  Der  Erfinder  der  Buchdruckerkunst  hafte  bereits  zwei  Nomen:  Johann
Gensfleisch  (Gutenberg)  hieß  er.  Dos  gleiche  gilt  für  Martin  Luther.

In dieser Zeit, in der Renaissance! veränderten die Menschen ouf einmal ihre
alten Nomen. Sie (übersetzten sie etwa ins Lateinische und meinten dann, sie
wären  mehr  als  vorher.  Zu  dieser  Gruppe  gehört  mein  dritter  Name,  der  Haus
name oder Familienname „Faber". Es ist die Übersetzung von „Schmied" oder
„Schmidt". Der erste Träger dieses Namens war olso Schmied gewesen.

Wenn die Eltern heute ihrem Kinde einen Nomen geben, so wissen sie meist
gar nicht, was er bedeutet. Wenn er schön klingt, genügt ihnen das, was eigent
lich sehr zu bedauern ist. Dann: Nomen est omen. Dos sollte ouch in unserer Zeit
gelten.

Ulrich  Meyer  (Olli  sa)

�Meine  erste  ,,FünP'

Meine erste „Fünf" bekom ich für ein Diktat. Es war im zweiten Schuiijahr. Da
mals wohnte ich bei meiner Großmutter in Berlin. Daß eine „Fünf" etwas Unange
nehmes war, wußte ich noch nicht. Ich hielt sie für eine Note wie jede andere auch.
Ohne jedes Angstgefühl nahm ich also mein Fleft in Empfang und schlug es auf.
Ja, da stand es ganz groß und deutlich: „Fünf!" Mit einem Ausrufungszeichen da
hinter.  Ich  sah  mir  die  Fehler  an.  Da  war  z.  B,  „Nilpferd"  mit  „ie",  „Stuhl"  ohne
„h", „Franzose" mit „h" geschrieben. Zwischen „regnete" und „rechnete" hatte ich
keinen  Unterschied  gemacht.  Bei  dem  Worte  „nämlich"  hatte  der  Lehrer  das  „ä"
so verführerisch lang gesprochen, daß ich ihm — mit besonderem Stolz — ein „h"
angefügt hatte. Aber der Lehrer war anderer Meinung: er hatte einen dicken
roten Strich unter das „h" gemacht.

Ich hatte also eine „Fünf". Eigentlich hätte ich mir ja denken können, daß das
nicht eine andere Bezeichnung für „Gut" war. Aber ich kam seltsamerweise nicht
darauf. Seelenruhig packte ich nach Schulschluß meine Mappe und bummelte nach
Hause, indem ich — wie sonst — mal hier, mal dort stehenblieb, wo ich glaubte,
eine Entdeckung gemacht zu haben. Ich entdeckte damals täglich die wunderschön
sten Dinge auf meinem Schulweg.

Daheim  stand  die  Haustür  offen.  Also  brauchte  ich  nicht  zu  schellen.  Ich  trat
ein  und  ging  geradewegs  in  die  Küche,  auf  Großmutter  zu.  Sie  stand  am  Herd
und kochte das Mittagessen. „Ich hab eine „Fünf" geschrieben", rief ich voll Stolz.
Großmutter  drehte  sich  um  und  sah  mich  eine  Weile  stumm  an.  Sie  machte  ein
Gesicht,  als  ob  sie  ein  schweres  Gewitter  überstanden  hätte.  Mein  Grinsen  mußte
sie wohl für Bosheit ansehen, denn plötzlich hatte ich eine saftige Ohrfeige sitzen.
Was danach kam, weiß ich nicht mehr- Ich weiß nur, daß.mein Respekt vor
Großmutter  eine  Steigerung  erfuhr.  Außerdem  habe  ich  aus  diesem  Erlebnis  zwei
Lehren  für  die  Zukunft  gezogen,  die  nicht  ganz  unnütz  waren,  weshalb  ich  sie
hier preisgebe: erstens nahm ich mir vor, nach Möglichkeit keine „Fünfen" mehr
mitzubringen; da das aber nicht ganz zu vermeiden war, wie sich herausstellte,
hielt ich zweitens darauf, dies den Interessierten stets mit Vorsicht und Schonung
beizubringen, eine Taktik, die sich in meinem Falle — vielleicht hätte ich um der
Wahrheit willen den Plural setzen und sagen sollen: in meinen Fällen — bestens
b e w ä h r t  h a t .

• 

J .  B 

ü 

n 

i 

n 

g 

( O l l i  m )

3 3

�Wa r u m  w i r  z u  H a u s e

eine Tageszeitung halten

Unsere Tageszeitunig wird uns jeden Morgen um acht Uhr ins Haus gebracht.
Zuerst liest meine Mutter dairin. Sie hat ja Zeit dazu, ich bin in der Schule,, und
bis zum Beginn der täglichen Hausarbeit ist es noch ein Weilchen.

Sie  setzt  sich  in  die  warme  Küche  an  den  noch  nicht  obgeräuimten  Frühstücks
tisch  und  liest  zuerst  den  Roman.  Zwischendurch  trinkt  sie  ein  Schlückchen  Kaffee
oder  knabbert  an  irgendeinem  Gebäck.  Nachdem  sie  den  Roman  ausgelesen  hat,
blättert  sie  die  Zeitung  durch,  liest  hier  und  da  einen  kleinen  Artikel,  aber  nur
mit  geteilter  Aufmerksaimikei.  Allenfalls  interessieren  si^e  noch  die  Todesanzeigen.
Meine Mutter behaiuptet, diese halbe Stunde vor der täglichen Hausarbeit mit der
Zeitung  und  der  Tasse  Kaffee  sei  für  sie  die  schönste  des  ganzen  Tages.

Wenn  meine  Mutter  die  Zeitung  fortgelegt  hat,  dauert.es  nicht  lange,
bis mein Großvater sie sich holt. iEr setzt sich mit ihr in seinen bequemen Sessel
ins  Wohnzimmier  und  beginnt  zu  lesen.  Dabei  pflegt  er  eine  Pfeife  zu  rauchen.
Mein  Großvaiter  ist  der  eifrigste  Zeitungsleser  in  unserer  Familie.  Er  liiest  alles,
was  in  der  Zeitung  steht:  von  der  hohen  Politik  über  den  Wirtschaftsspiegel  und
den Stadtanzeiger bis zum Filmprogramim. Das schiimmste, was man tun kann, ist,
ihn  beim  Zeitunglesen  zu  stören.  Ohne  Zeitung  kann  ich  mir  meinen  Großvater
überhaupt nicht vorstellen.

Im  Gegensatz  zu  meinem  Großvater  liest  meine  Großmutter  nur  sehr  wenig
Zeitung.  Es  macht  ihr  zu  viel  Mühe,  sagt  sie.,  Aber  die  wichigsten  Ereignissie  des
Tages  läßt  sie  sich  doch  wenigstens  vorlesen.  Dazu  bestimmt  sie  meistens  mich.
Es  langweilt  mich  nicht,  ihr  vorzulesen.  Denn  ich  interessiere  mich  sehr  für  das,
was  in  der  Welt  vor  sich  geht.  Meistens  .bin  ich  allerdings  zu  bequem,  mir  die
einzelnen  Artikel  genau  durchzulesen.  Ich  überfliege  die  Schlagzeilen  und  schaue
mir vorzüglich die Bilder an. Nur am Samstag nehme ich mir Zeit. Dann lese ich
sogar ausgiebig ,die Kurzgeschichten, Witze und Rätsel, die auf der „Bunten Seite"
s t e h e n .

So haben wir alle in unserer Familie etwas, was uns in der Zeitung besonders

interessiert. Deshalb halten wir die Tageszaitung und möchten sie nicht missen.

H  a  n  s  -  Mainti  n  Jürgens  (OHIsa)

3 4

�Zonengrenzfahrt

Vor kurzem bs ich in einer Zeitschrift einen Artikel mit der Überschrift: ,giften
in Deutschland, mitten im 20. Jahrhundert". Darunter stand etwas kleiner: „Sta
cheldroht, Schlagbäume, Erdbunker, V/achttünme". — Nachdenklich legte ich die
Schrift aus der Hand. Zwar wird es mir — wie wohl vielen „Wirtschaftswunder-
kmdern" — bei der Erwähnung der Zonengrenze immer leicht unwohl. Aber die
ser Artikel „hatte es in sich" — so sehr, daß ich beschloß, mich mit eigenen Augen
zu  überzeugen.

*

Schon zwei Stunden brauste der Interzonenzug durch das waldreiche hesssische
Bergland. Die schmutzigen Vorstädte Kassels blieben im Norden zurück, und der
Schienenstrang folgte dem gewundenen Lauf der Fulda. Da betrat ein Mann in
grauer Uniform unser Abteil und fragte, wer in die Zone reise. Ein ergrauter Herr
stand auf und reichte seine Papiere. Der Uniformierte blätterte sie durch, machte
sich Notizen und gab sie zurück. Gelassen setzte sich der Grauhaarige hin und
schaute nach draußen. Der Vorfall schien ihm vertraut zu seim So verlief meine
erste  Berührung  mit  der  SBZ.

*

Soeben hatten wir, eine Gruppe Jugendlicher, in einem Reisebus Bad Hersfeld
verlassen, um die markantesten Punkte der Zonengrenze zwischen Hessen und
Thüringen kennenzulernen. Unter strahlendem Himmel lag das Wiesen- und Wei
deland der Rhön. Von den Kuppen dieser ehemaligen Vulkanlandschaft schweifte
ider Blick über das Gewoge von Berg und Tal.

Die Zonengrenze rückte näher- Im Bus wurde es lebendig. Fragen, Vermutun
gen,  Vorschläge,  die  das  Stichwort  „Zonengrenze"  betrafen,  wurden  laut.  Unser
Fahrzeug  schwenkte  in  eine  Seitenstraße  ein.  Rechts  leuchtete  auf  einem  Baum
stamm ein mit weißer Farbe gemalter Hinweis für amerikanische Panzer: „Attention
30C0 meters to border!" Plötzlich sprach unser Fahrer ins Mikrophon; „Rechter
Hand  ein  WachtturmI  In  wenigen  Minuten  fahren  wir  an  ihm  vorbei."  Das  Stim
mengewirr verstummte und schwoll wieder an.i Durch mein Fernglas konnte ich den
WachttuTim erkennen, einen quaderähnlichen Kasten, der auf vier hohen Holzstäm
men stand, denen Verstrebungen eine Leiter bildeten. Der Fahrer erklärte weiter:
„Wir fahren jetzt dem Zehn-Meter-Streifen entlang." Richtig! Uber den Abhang
auf der rechten Seite zog sich ein breiter Gürtel frisch gepflügten Ackerbodens
und lief parallel der Straße. Rechts und links breiteten sich Weiden mit grasenden
Kühen  aus,  unterbrochen  von  Obstplantagen.  Ein  friedliches  Bild?  Wer  die  Be
deutung dieses Streifens nicht kannte, erhielt duirchaus einen solchen Eindruck.
Und doch, warum wagte die Bäuerin nicht, die wenige Schritte vom Zehn-Meter-

3 5

�streifen entfernt in einem Gemüsefeld grub, unser Winken zu erwidenn oder auch
nur oufzuschaiuen ? Die 'Erklärung fanden wir bald. Der Wachtturm gab sie. Er
glich einem Hochsitz, von dem allerdings nicht das Ti©r,sondern der Mensch gejagt
wird. Die öberlandleituingen waren abmontiert, nutzlos ragten die Masten.

Später standen wir auf dem Hof der Buchenmühle im hessischen Kreis Hünfeld.
Er war von Stacheldraht zerschnitten. Wohnhaus, Backstube und Brunnen lagen
greifbar, aber unerreichbar hinter dem Draht, der — durchZweige und Stämme
verstärkt — einer Palisade ähnelte. Ein Arbeiter erzählte uns, wie es zur Teilung
dier Mühle kam. Bis 1952 habe der Besitzer sein durch die Demarkationslinie ge
teiltes Anwesen ungehindert benutzen können. Dann hätten sie von Pankow aus
den eisernen Vorhang auch hier heruntengeilassen, um den „Arbeiter- und Bauern-
staat gegen den westlichen Imperialismus zu schützen".

Ich sah mir die enteigneten Gebäude an. Das ehemalige Wohnhaus verfiel
langsam. Sämtliche Fensterscheiben waren zerschlagen. An den Wänden bröckelte
der Mörtel ab, so daß ider nackte Stein durchbrach. Im Dach gähnten große Lö
cher, in der Dachrinne wucherte Unkraut. Der zugeschüttete Brunnen und die Back
stube mit ihren verma.uerten Fenstern und den klaffenden Rissen in der Wand bo
ten  einen  traurigen  Anblick.

Die Szenerie wurde natürlich ausgiebig photographiert, damit man daheim be

weisen könnte, daß es an der Grenze tatsächlich so aussah.

Ich ging langsam den Stacheldraht entlang. Er näherte sich dem Fuße eines
Berges, überquerte einen Bach und verlor sich allmählich im Gebüsch. Nach Grenz
polizisten hielt ich vergeblich Ausschau. Aber noch war mein© Reise ja nicht
beendet.

*

Philippsthol. Neben der Ortstafel stand ein Wegweiser: Nach Vacha 4 km.
Diese Angabe stimmte nicht mehr. Um von Philippsthal nach Vacha zu reisen,
mußte man einen Umweg von etwa 70 km machen. Ein Witz? Keineswegs. Vor der
Errichtung der Zonengrenze waren es wohl 4 km. Heute aber muß man die Kon
trollpunkte Herleshaiusen in der Bundesrepublik und Wartha in der SBZ passieren,
um  nach  Vacha  zu  gelangen.

Wir fuhren an Kalihügeln, Fördertürmen und Schachtanlagen vorbei. Philipps

thal  ist  bekanntlich  reich  an  Kalivorkommen.

Wir hatten die Straßensperre Philippsthal—Vacha erreicht. Mannshoher, dicht
geflochtener Stacheldraht zog sich von der Brückenbrüstung der Werra über die
Straße, stieg über die Mauer eines kleinen Vorgartens und verschwand hinter
einem Bretterzaun durch ein Fenster im Erdgeschoß der Druckerei Hoßfeld. Auf
dem Asphalt jeneits des Drahtes lag Sand, der — wie uns zwei Männer vom Bun-

3 6

�, desgrsinzschtuiz erklärten, die sich bei der Sperre oufhielten — der Spurensiche
rung  dient..  Die  gesperrte  Werrabrücke  führte  zum  Dorf  Vacha,  ich  erkannte  den
Kirchturm  und  davor  —  einen  Wachtturm.

Ich  ging  mit  einer  Gruppe  von  Jungen  über  die  Flußwiesen  dicht  an  die  Werna.
Am andern Ufer erhob sich der Wachtturm. Er war völlig mit Holzbohien verklei
det. Auf dem Turm patroullierten zwei bewaffnete Grenzpolizisten. Sie trugen Uni
formen  nach  sowjelischem  Vorbild-  Wir  winkten  ihnen  zu.  Sie  stutzten,  ddnn  winkten
sie  lächelnd  zurück.  Mein  Nebenmann  zückte  seine  Kamera.  Blitzschnell  wandten
sie uns den Rücken zu. Mein eigener Versuch, sie zu photographieren, endete mit
dem  gleichen  Ergebnis.

Die beiden Beamten vom Grenzschutz hatten die Szene beobachtet. Sie sagten,
das Winken sei nichts Außergewöhnliches. In der Dunkelheit könne man in den
erleuchteten  Fenstern  auf  beiden  Seiten  der  Werra  öfter  winkende  Menschen
sehen, die so ihre Verbundenheit zeigten.

*

Die  Stunde  der  Abfahrt  war  da.  Noch  einmal  prägte  ich  mir  das  Bild  ein:  das
vom  Stach&ldrahr  geteilte  Flaus,  den  Sand  und  den  Wachtturm.  Während  unser
Bus  anfuhr,  blickten  wir  zurück.  Die  Grenzpolizisten  auf  dem  Wachtturm  standen
n e b e n e i n a n d e r  u n d  w i n k t e n 
( O i l s )

. . .  J o s e f  G o e k e 

M e i n  F r e u n d  G e r h a r d

Mein  Freund  Gerhard  ist  fünfzehn  Jahre  alt  und  mittelgroß.  Er  hat  schon  recht
ausgeprägte Gesichtszüge. Er ist ein kräftiger, robuster und mutiger Junge. Seine
Spezialität ist das Fußballspiel. Ich habe noch keinen Gleichaltrigen bj'esser spielen
s e h e n .

Er ist ein Draufgänger. Deshalb kommt es bei ihm nicht selten vor, d_aß er mit
Hautabschürfungen  und  Wunden  das  Spielfeld  verläßt.  Aber  das  übersieht  er.
Auch  ist  er  immer  guter  Dinge.  Wenn  einmal  ein  Mitspieler  eine  Verletzung  hat,
ist  er  immer  der  erste,  der  ihm  beisteht.  Wenn  ihm  jemand  wehe  tut,  so  verzeiht
er  ihm  gern  und  schnell.

Ich  glaubte  anfangs,  daß  er  wegen  seines  dnaufgängerischen  Wesens  auch
innerlich  hart  sei.  Aber  ich  wurde  vom  Gegenteil  überzeugt.  Das  geschah  bei
einem Spaziergang durch den Wald. Dort fanden wir ein ganz junges Eichhörn
chen, das ein Hinterbein verstaucht oder gar gebrochen haben mußte. Es lag fast
bewegungslos am Boden. Wahrscheinlich hatte es schon länger dort gelegen. Es
war  halb  verhungeirt.

Ich  sagte  Gerhard,  er  solle  es  liegen  lassen,  denn  es  werde  die  Fahrt  nach  Hause
nicht  überstehen.  Er  aber  nahm  das  arme,  zitternde  Tierchen  und  barg  es  in  seiner
inneren  Rocktasche,  so  daß  es  gewärmt  wurde.  So  gelang  es  ihm,  das  Eichhörn
chen  sicher  nach  Hause  zu  bringen.  Dort  machte  er  ihm  ein  weiches  Lager  zurecht,
hegte  und  pflegte  es  solange,  bis  es  wieder  gesund  war.

Da  erkannte  ich,  daß  ich  mich  in  Gerhard  geirrt  hatte:  er  war  viel  feinfühliger
m )

m a n c h e r 

a n d e r e . 

R i c h a r d 

a l s 

S c h w a r z 

( O l l i 

3 7

�Vorschau

Nachdem im vergangenen Jahr die Ui s in Dijon zu Gast war, will in diesem
Jahre unsere Olli s (Oslern Ul s) England ,entdecken'. Die Klasse wird während
ihrer Fahrt vom 16. bis 31. Mai, die sie von Dover über Cantenbury — London
Oxford  —  on  Avon  bis  hinauf  nach  Yorlkshire  führen  wirdi,  der  alten  Stadt
York einen mehrtägigen Besuch abstatten. Von den Erlebnissen dieser Studienfahrr
wird die Schulzeitiung wohl in der nächsten Niummer iberich.ten können.

Vorerst wünschen wir allen Schülern der Klasse Oll s schöne Frühlingstage in
,Merry Old England'. Mögen die begleitenden Lehrer ein Einsehen haben und die
armen Schüler nicht über Gebühr mit abendländischer Bildung strapazieren! Das
wünschen  allen  Beteiligten

Die  begleitenden  Lehrer

Wer hat es gemerkt ?

Die Schülerbücherei ist umgezogen. Die Bücherschränke stehen jetzt in dem
schmalen Gang neben dem Eingang zum Zeichensaal, und auf einem Tisch unter
dem Fenster kann man in aller Rehe blättern. Das Elternsprechzimmer am Ende des
Flurs ist zugleich Arbeilsraum für die Bibliothek.

D i e  U h r 

f ü r s  L e b e n

E T E R N S - M fi T I C

M Ü N S T E R  ( W E S T  F. )
Prinzipalmarkt  35  ■  Fernruf  4  47  02

Eigene  Goldsch  m 

iedewerkstatt

3 8

�Wir dürfen danken für diese Verbesserungen und uns darüber freuen, daß
lietzt vieles leichter geworiden ist. Gleich nach Ostern soH ein neues Verzeichnis
für idie Mittel- und Oiberstufenbönde vonbereitet werden.i Vietileicht staunt dann
mancher darüber, was man bei uns alles kostenlos entleihen kann. Seit einigen
Wochen haben wir mehr als 1 5C0 Bände. Es lohnt sich also, wenigstens einmal zu
stöbern. Allerdings muß man sich aufraffen, dienstags und freitags hinzugehen.
Eine kleine Auswahl unserer neuen Bücher bietet vielleicht einen Anreiz:

V e r f a s s e r 

T i t e l 

S i g n a t u r

K a i s e r
S c h n e i d e r
Wachsmann
V.  Braiun
iLang
W e n d t

G a i s e r
K a r d o r f f
K u c k
Rasmiussen
Scharfenberg
B o w m a n
H e r r m a n n

iFreidentihal
Lynes
R a u
F a b e r
Zenger
U N O '
Buchheim
Djilas
Mehnert
Mehnert
Heusinger
Mau-Krausnick

Glubb  Pascha
Rosenstock- H uessy
B a h r
G o l l w i t z e r

Schneider
Pasternak

D e r  k ü n s t l i c h e  M o n d
So  fliegst  du  heute
Radioaktive  Isotope
S t a r t 
i n  d e n  W e l t r a u m
Männer  im  Bleianzug
Friedliche  Verwendung  der
Kernenergie
S c h l u ß b a l l
Feste  feiern  wie  sie  fallen
Männer  entdecken  die  Welt
Die  große  Schlittenreise
Projekt  Wadi  Tharthar
Vo n  S c o t t  z u  F u c h s
Das  große  Buch  der  Ent
deckungen
Die  Party  bei  Herrn  Toikaido
Zuviel  Honig
I n d i r a
Sand  auf  heiligen  Spuren
Kampf  um  die  Pressefreiheit
Was  in  Ungarn  geschah
Das  dritte  Reich
D i e  n e u e  K l a s s e
Moskau,  Asien  und  wir
Der  Sowjetmensch
Befehl 
Deutsche  Geschichte  .  .  .
von  1933  —  1945
J e n s e i t s  v o m  J o r d a n
Frankreich  —  Deutschland
Kriegsbriefe  gef.  Studenten
Du  hast  mich  heimgesucht  bei
N a c h t
P f e i l e r 
Dr.  Schiwago

im  Widerstreit

i m  S t r o m

1 1 2
1 1 5

11 4
1 2 0

1 2 3
118
11 9
1 1 4
1 1 3

121

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A  2 9
U 1,1
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W  3 1

G  3 5
K  2 9
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I I I
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F  20
L  2 7
R  18
F  21
O 
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G e  3 5
B  51
D  1 3
M  3 6
M  3 7
H  41
M  3 5

G  3 4
G e  3 4
B  5 2
G  3 6

Sch  22
P  7

Die MittelstU'fen'bücher haben in ihrer Signatur diie Bezeichnung ider Klasse
(U III U II), die Oberstufenbücher den Anfangsbuchstoben des Verfassernamens
(A  -  Z),

3 9

�Revolution  in  der  Mathematik?

Bei mathematischen Experimenten im Schlaun-Gymnasium stellte ein Star

mathematiker  die  Behauptunig  auf:

9
Er lieferte sofort den überzeugenden Beweis;

= 

1 

1  —  10  =  81  —  90

Durch  Addition  von  100  ergibt  sich:

1 _ 10 -t- ^ = 81 - 90 -t- -°-

10 _ 9 10
2  -  V  -  2
1 0  1 0  „  1 0  1 0
1 - 2 + 2 - ' " 2 " ^ 2

•  2  -  9  -

1 

= 

9

N.iB.: Wir bitten aber alle Voll- und Schmalspuirmathematiker, den Beweis erst zu

prüfen, bevor er allgemein in die Lehrbücher aufgenomimein wird.
Irgendwo muß ja wohl der Fehler stecken. Aber wo? Das herauszufinden,
überlassen wir den mathematischen Begabungen unter unseren Lesern.

Schriftleitung: Dr. C. Henke, Dr. Fr. Scholmeyer, Dieter Duwenig (Ol sb)
Geschätfl.  Leitung:  Studienrat  Alfred  Heidtmann
Druck: Gutenberg - Druckerei Th. Bröcker, Münster i.W., Bergstr. 71/72
Einzahlungen: Alfred Heidtmann, Konto 12713 bei der Sparkasse der Stadt
Münster  oder  Postscheckamt  Dortmund  Nr.  607  35.
Beitrag zur Altherrenschaft und freiwillige Zuwendungen werden
auf das Postscheckamt Dortmund Nr. 823 76 unseres „Ehemaligen
Paul  Eichel  erbeten.

4 0

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für das S c h I a u n - Gy m n a s i u m vorrätig
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sind praktisch im Gebrauch

und  einfach  zu  handhaben!

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O S T E R N 

1 9 5 9

�F o t o g r a fi e  -

xiMl

Richtig sehen kann man schon mit einer Kamera

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6 1 

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HERMANN  BQRCHARD

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- 

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MÜNSTER  (WESTF.)

L A Z A R E T T S T R A S S E 

2 3  R U F 

4 0 2 

9 3

�Das Schlaun-Gymnasium

Scluilzeitung  für  die  Schüler,  Lehrer,  Eitern,  Ehemaligen  und  Freunde

des  Schlaun-Gymnasiums  zu  Münster  (Westf.)

N r .  1 7  O s t e r n  1 9 5 9  P r e i s ;  0 , 8 0 

( f ü r  S c h ü l e r  0 , 5 0 )  D M

Ferienordnung  1959/60

F e r i e n

O s t e r n
Pfingsten
S o m i m e r

H e r b s t

W e i h n a c h t e n

E r s t e r  F e r i e n 

t a g

Letzter  Ferientag

Donnerstag,  26.  3.  1959
Saimstag, 16. 5. 1959
Mittwoch,  1.  7.  1959
Samstag,  17.  10.  1959
Mittwoch,  23.  12.  1959

Mittwoch,  8.  4.  1959
Dienstog,  19.  5.  1959
Dienstag,  11.  8.  195?
Montag,  26.  10.  1959
Donnerstag,  6.  1.  1960

D I E 

N Ä C H S T E 

N U M M E R

unserer  Schulzeitung  erscheint  Ende  Juni.
R e d a k t i o n s s c h l u ß :  5 .  J u n i .

Den  Linolschnitt  auf  der  Titelseite  fertigte  Ludwig  Niesert  (Oils)

�Brief  an  meinen  Neffen  Peter,

der,, das Klassenziel nicht erreicht" hat
P e i e r !

e b e r 

L i 
Ehrlich gesagt; im stillen holte ich längst diomit gerechnet. Und nun ist es so

weit.  Du  bist  also  —  sitzen  geblieben.

Was  nun  Ja,  was  nun?  So  hat  sich  Deine  Tante  auch  einmal  gefragt,  als  ihr
zum erstenmal in ihrem Leben (es. waren liebe Gäste geladen) das Mittagessen
angebrannt war. Später wußte sie, was sie zu tun hatte: sie mußte halt noch ein
mal von vorn anfangen — einkaufen, abwiegen, zubereiten, würzen, abschmecken
und  kochen.

Das  wirst  Du  auch  müssen.  Am  besten  versuchst  Du  es  miit  „guter  Miene"  und

Gel.assenheiit.  Dann  geht  es  am  besten.

Du  meinst,  .Deine  Lehrer  treffe  vor  allem  die  Schuld?  Das  kann  ich  nicht  recht
einsehen.  Odier  sie  müßten  heutzutage  anders  sein  als  zu  meiner  Zeit  Da  waren
sie eher zu nachgiebig als unerbittlich. Was wir denn bald raus hatten und aus
nützten.  Aber  —  das  war  einmal.  Zurück  zu  Dir,  zu  Deinem  kleinen  österlichen
Weh. Soll ich Dir einige Mittelchen nennen, d.ie Dir von Nutzen sein könnten? Sie
sind  probat:
1.1 Du mußt nicht arbeiten wollen, wenn Da spielen darfst, und wenn Du arbeitest,
mußt Du nicht spielen. Das hört sich einfach an, ist es aber nicht. Es ist i. G.
recht  schwer,  immer  ganz  zu  tun,  was  man  tut.

2.  Da  Dir,  wie  ich  vermute,  alle  Radio-Stationen  der  Welt  und  alle Automarken
völlig vertraut sind, laß es dabei sein Bewenden haben und kümmere Dich nicht
weiter drum! Du willst ja weder Ansager noch Taxifahrer werdea Aber ein
a n d e r e s  b e d e n k e :

3.  Du  wirst  das  Wunder  des  Frühlings  ebensowenig  aus  der  Welt  schaffen,  wie
andere das fertig gebracht haben. lEs ist einfach da. Daran ist nichts zu machen.
Also mußt Du es gar nicht erst versuchen, Rücke ihm vor allem nicht mit latei
nischen Vokabeln zu Leibel Das. verträgt wohl der Früihling, da er unverwüst
lich ist, aber nicht Dein Latein — und Du selber auch nicht. Laß den Frühling
vielmehr Frühling sein und erfreue Dich an seinen immer neuen WundernI Da
für  sind  sie  da.  Und  erfreue  Dich  ebenfalls  an  dem  —  wenn  auch  ganz  ande
ren — Wunder der lateinischen Sprache! Auch sie ist zu Deiner Freude, nicht
z u  D e i n e m  L e i d e  d a .  J e d e s 

i n  s e i n e r  A r t .

4.  Mißerfolg  kann  Dein  bester  Lehrmeister  sein,  wenn  Du  ihn  zu  Deinem  Lehr

m e i s t e r  m a c h s t .

5. Ja, und was noch, damit Du nächstes Jahr nicht noch einmal , . .? Lieber Peter,

nur  ein  ausgemachter  Dummkopf  würde  das  fertig  bringen..
Das laß Dir gesagt sein von Deiner Dich herzlich grüßenden

T  ante  T  r  u  d'e  I

2

�Leserstimme

Die meisten Schulen haben gar keine, mehrere Schulen haben eine schlechte,
einige wenige Schulen haben eine gute Schülerzeitung. Das Schlaun-Gymnasium
hat eine Schdzeitung. Mit zunächst verblüffenider Selbstverständlichkeit wird an-
genomimen, daß zum Schulbereich neben Schülern und Lehrern auch die Eltern, die
■Ehemaligen sowie die Freunde der Schule gehoren. Für sie alle ist die Schulzeitung
da. Meihr zui sein, beansprucht .sie nicht; ober ich würde sie auch mit Freude lesen,
wenn ich nicht zum Schlaun-Gymnasium gehörte.

Ich will gleich sagen, warum. Es fehlt hier die bei Schülerzeitungen sonst so
beliebte ,Meckerecke'. Eine Schulzeitung;, zumal, wenn sie so vornehm aufgemacht
ist wie unsere und diese Vornehmheit im Gehalt nicht vermissen läßt, hat eine
solche Rubrik gar nicht nötig. Eine Tageszeitung kann über dieses und jenes
schimpfen; eine Zeitung, die nur einmal im Vierteljahr erscheint, muß für ein Vier
teljahr  Stoff  bieten,  muß  auf  Qualität  sehen,  darf  den  kostbaren  Raum  nicht  für
Themen verschwenden; die nur 24 Stunden lang interessant sind.

Ein zweites kommt hinzu. Mir ist das aufgegangen, als ich das Heft von Ostern
1958 las. Da sind Abschnitte aus den Lebensläufen von drei Oberprimanern abge
druckt. Der Lebenslauf; das vielleicht ungeschminkteste Bild des Menschen, das
auch dann noch wahr bleibt, wenn es sich mit einem wohl ausgesuchten Rahmen
umgibt, ist charakteristisch für diese Zeitung, Er kann in verschiedenen formen
auftreten: als Erlebnisaufsatz, Fahrtenbericht, als Tagebuchaufzeichnung oder Sach-
baschreibung, manchmal in Versen, meistens in Prosa. Er ist für diese Zeitung ■ent
scheidend. Man kann vieles für sich daraus .gewinnen und lernt manches verstehen.
Und  welchen  Sinn  sollte  eine  Zeitschrift  sonst  haben?

Noch ein drittes ist mir aufgefallen. Diese Zeitung hat eine Redaktion. Man
m.ag sagen, jede Zeitung habe eine Redaktion, die verantwortlich ist und die Sache
organisiert. Aber .darin erschöpft sich die Arbeit einer Redaktion nicht. Die Redak
tion muß auswählen, sie muß vor alle.m aber die Texte bearbeiten. Stallt m.an je
mandem  die Aufgabe,  verschiedene  Brüche  zu  addieren,  so  wird  mion  ihn  nicht
schelten, wenn er sie zuerst gleichnamig macht. Nenner und Zähler mögen sich
beim einzelnem .Bruch verä.ndern, der Wert bleibt allem.al derselbe. So muß auch
der gute Redokteur all die Beiträge (fast hätte ich gesagt; den ganzen Bruch) auf
einen Nenner bringen. Wenn er das tut, dann heißt das nicht, .daß er alles
besser können will, oder daß er nach Lust und Laune handelt. Er ord.net nur alles
richtig ein, diamit es seiner Zeitung nicht so geht wie manchen modernen Bildern,
wo die Nase da sitzt, wo wir gewöhnlich ein Ohr haben, und .der Mund aussieht
wie eine verrostete Fahrradkette. Ich habe nichts gegen moderne Kunst, wohl aber
etwas gegen derartige Zeitungen. Schon jetzt bin ich gespannt, was an diese m
„Bruch" alles verändert ist, wenn -Ich ihn gedruckt lese, und welche Überschrift er
wohl  bekommt.

3

�Wenn wir ansonsten emmol unzufrieden mit unserer Schuilzeitung sein sollten,
donn gibt es zwei Möglichkeiten, dem aibzuhelfen; selbst gute Beiträge zu liefern
oder sich andere Schülerzeitungen schicken zu lassen und diese vergleichsweise zu
l e s e n . 
h
NB.:  Die  Schriftleitung  sah  sich  nicht  veranlaßt,  an  obigem-  „Bruch"  etwas  zu
ändern, weil der Verfasser -den „ge-meinsamen Nemn-er" von sich aus ge
funden hatte, wofür wir ihm sehr dankbar sind. Für solch e n „Bruch" sind
wir  übrigens  immer  -dankbar.

M 

u 

a 

n 

i 

s 

c 

Unsern Oberprimanern zum Abschied

die  in  ihrer  Arbeitsgemeinschaft  Dürrenmatts
„Romul-us  der  Große"  für  uns  einstudierten.

Wenn Sie nun einige Jahre von uns fort sind, woran wenden Sie sich dann noch
genau und gern erinnern? K-oum on den Unterricht, vielleicht noch an eine gemein-
-sam-e Klassenfahrt, ober sicher an dieses Stück, das Sie zusammen geprobt und
gespielt  haben.
Das schöne Bühnenbild wird Ihnen einfallen, das Herr Dr. Klockenbusch, Ihr
Regisseur, gemacht hatte, -vielleicht werden Ihne-n sogar einige Vers-e- Ihrer Rolle,
die Sie gespielt hoben, wieder über die Lippen kom/men, sicher -ober wenden Sie
die klangvollen Namen der K-aiser+iuihner und mit ihnen das vergnügliche Lachen
hören, das Ihnen -da-mals immer wieder aus der viele Male voll besetzten Aula
entgeg-engescblagen ist. Sie werden -diann gar nicht mehr wissen, worum es in die
sem Stück -eigentlich ging. Nur Gipsbüsten werden Sie immer noch nicht ohne eine
gewisse Geringschätzi-gkeit anschauen können, und von Steinsäulen, mögen es nun
ionische oder „stalin-a-lleenistische" sein, werden Sie für olle Zeiten wissen, daß
man auf sie die Welt nicht gründen kann. Ja, und wenn es — oder sich — einer
mal wieder so gar sehr wichtig hat, dann wenden Sie sicher nicht umhin können.

Das  Fachgeschäft  für  gute  Blumenspenden

ßahnhofstr. 2 (Ecke Servatiiplatz) Telefon 3 59 36 Wolbecker Str. 20

M ü n s t e r 

i .  W e s t 

f .

4

�ein  ganz  heiles,  durcbdrinigendas  Hühnergegocker  loszulassen  und  an  DOrrenmatts
großen Kaiser zu denken, der, mag man sonst von ihm halten, was man will, doch
wenigstens  wußte,  wiei  klein  und  unbedeutend  er  vor  den  großen  Gängen  der
Geschichte  war.

Und  uns  brauchen  Sie,  sollten  Sie  dann  eines  Tages  wieder  einmal  bei  uns  her
einschauen  und  an  unseren  Gesichtern  merken,  daß  wir  Mühe  haben,  uns  an  Sie
zu  erinnern:  uns  brauchen  Sie  dann  nur  das  Stichwort  ,,Romulus  der  Große"  zuzu
flüstern, und Sie wenden spüren, daß wir dann schnell wieder im Bilde der Bühne,
bei der Hühnergockerei, bei dem Spaß, den wir gehabt hoben, und bei Ihnen sind,
ob Sie nun der Diener oder der Imperatoin, der Koch oder der imimermüdte Soldat
w a r e n . 
.

S 

h 

c 

o 

. 

. 

Elternabend "am Schlaun-Gymnasium

Am  Mittwoch,  idem  3.  Dezember  1958,  um  20  Uhr,  versammelte  sich  in  Anwe
senheit  von  Herrn  Stadtschulrat  Dr.  Hoss  als  Vertreter  der  Stadtverwaltung  die
Schulgemeinde  des  Schlaun-Gymnasiums  in  der  Aula  der  Schule.
Der  Vorsitzende  der  Schulpflegschaft,  Rechtsanwalt  Dr.  Freudiger,  eröffnete
den  Abend  mit  herzlichen  BegrüßungsWorten  und  sprach  im  Namen  aller  Beteilig
ten  die  Hoffnung  aus,  daß  sich  der  Wunsch  nach  einer  eigenen  Schule  ohne  den
leidigen  Schichtunterricht  nun  bald  erfüllen  möge.

5

�Der  Leiter  der  Schule,  Oberstudiendirektor  Dr.  P  I  a  te,  entbot  allen  Gästen  den
Gruß  der  Schule  und  rmachte  die  Eltern  zunächst  mit  dem  neuen  Erla;ß  des
K u 11 uis m i n i s te r s über die Hausauf-goben und schriftlichen Klassen arbeiten
bekannt. Das geschehe, so bemerkte er, nicht zuletzt in der Aibsicht, die Schule vor
den zahlreichen Angriffen von außen zu schützen, die nur zu oft aus mangeinder
Sachkenntnis geführt würden. Es folgten eine Reihe persönlicher Bemerkungen zu
den  wichtigsten  Punkten  der  Erlasses.  Vorweg  stellte  der  Direktor  fest,  daß  die
Schule nicht eben glücklich darüber gewesen sei. Immerhin hätten die Schulmeister
sich nicht serienweise das Leben genommen. V/ozu auch? „Denn", so sagte Dr.
Plate, „eine auf den Tag genau 38jährige Schulpraxis hat mich gelehrt, daß man

Leh re rk o ll eg i um 1925

Dr.  Lücke  Dr.  Hastenplug  Burgholz  Sallandt
K r e k e l e r  D r .  V i e f h a u s  H a r t m a n n  W e d e w e r
Dr.  Heesen  Dr.  Heesing  Bufe  Dr.  Schlosser

Dr.  Schimmöller  Kemper  PIeßmann  Dr.  Oebike  Dr.  Hoeltzenbein

B e h r e  B o l l e 

I I  D r.  B o l l e 

I  D r.  H a g e m a n n  L o s s e

Romberg  Frieling  Dr.  Corsidreß  Dr.  Rick  Schmidt  freibüter

Dr.  Jacobi  Prof.  Sommers  Prof.  Dr,  Poelmann  Dr.  Steffen

Klaiber  Dr.  Siehoff  Dr.  Hoffschulte  Dr.  Bohlen

6

�es in Germcinien nun einmal nicht lassen kann, sich für die Schule beständig etwas
Neues  ouszudenken,  es  zu  erproben  —  und  dann  wieder  zu  verwerfen."  Man
dürfe sich mit der on sich erstaunlichen Tatsache beruhigen, daß Erziehung trotz
d e m 

i m m e r  n o c h  z u s t a n d e  k o m t m e .

Zu  den  Bestimmungen  des  Erlasses  führte  Dr.  Plate  aus,,  daß  die  Ursachen
der  überbürdung  der  Schüler,  von  der  der  Erlaß  spreche,  nicht  in  erster
Linie in der Schule zu suchen sind,, sondern in der pausenlosen Berieselung der
jungen  Menschen  mit  den  vielerlei  Reizen  des  modernen  Lebens,  Unter  diesen
Umständen sei es für die Jungen allerdings sehr schwer, sich geistigen Aufgaben
hinzugeben. Rechte Bildung sei ohne Muße nicht zu' erlangen, und es sei darum
sicherlich richtig, daß die Schule den Jungen durch den Verzicht auf die Hausauf
gaben zum Montag und durch eine sorgfältige Stoffauswahl mehr Zeit zur Muße
einräume. Freizeit jedoch sei noch keine Muße und verkehre sich mit bloßem Fern
sehen und Kino gar in ihr Gegenteil. Nur die Muße aber führe zu einer Besinnung
und damit zu der angestrebten Beruhigung und Sammlung der Kräfte. Hier sehe
er eine der ernstesten Aufgaben des Elternhauses, Man überlege sich nur einmal,
wie ein Kind „zu sich" kommen solle:, wenn es z. B. von Freitagabend bis Montag
morgen  mit  den  Eltern  unterwegs,  ailso  doch  ganz  „außer  sich"  ist.  Außerdem
stelle sich hier sogleich die Frage, wie dem „Blauen Montag" zu begegnen sei, der
bei einem solchen Mißbrauch des freien Wochenendes kaum ausbleibe. Nun leuchte
es aber allen Einsichtigen ein, daß die Schule nicht auch noch auf konzentriertes
Arbeiten am Montag verzichten kann. Der Monfag also sei zwar aufgabenfrei,
ober  nicht  frei  vom  „Do-Sein".

A b i t u r i e n t i a  1 9 1 9

7

�Die Schrecken der schriftlichen K 1 a s s e n a r b e i t e n, so fuhr der Schuiileiter
fort, seien ihm aus seiner eigenen Schulzeit nur allzu gut bekannt, und immer wie
der habe er sich gefragt, wie die einer schriftlichen Klassenarbeit eigene nervöse
Atmosphäre zu entspannen sei. Ganz gelinge das wohl nie. Zuweilen genüge aber
schon eine kleine Aufmunterung oder ein freundliches Wort, um den Bann zu bre
chen. Der Schwierigkeitsgrad aller schriftlichen Klassenarbeiten entspreche selbst
verständlich  dem  Niveau  des  mittleren  Schülers.  Einem  Absinken  des  Niveaius  müsse
entschieden entgegengewirkt werden aus Gründen, die ein russischer Pädagoge
unserer  Tage  wie  folgt  formuliert  hat:  „Wir  Russen  kennen  nur  eine  Höflichkeit
gegenüber den jungen Menschen, nämlich sie mit hohen Anforderungen für das
Leben  stark  zu  machen."

Zu  dem  Punkt  „Arbeitsmethode"  sagte  Dr.  Plate,  es  sei  seltsam,  daß  es,
obwohl die Zahl der eigentlich dummen Kinder verhältnismäßig gering sei, doch
zu  so  vielen  Ausfällen  auf  der  höheren  Schule  komme.  Es  sei  außerondentlich
schwer, alle in einem Kinde schlummernden Anlagen und Talente durch angemes
sene Erziehungsmethoden zur Entfaltung zu bringen. Die Schule sei häufig genug
Zeuge des Mißlingens und empfinde den gleichen Schmerz darüber wie der große
Albert  Schweitzer,  der  einmal  gesagt  habe:  „Wenn  man  mit  Kindern  zu  tun  hat,
ist  man  oft  verzweifelt,  was  daraus  wird."  Für  das  Versagen  in  der  Schule  nun
seien  nicht  selten  falsche  Arbeitsmethoden  mitverantwortlich,  die  so  leicht  dazu
führen, daß „ein großer Aufwand schmählich ward vertan". Bei der Verschieden
heit  der  Menschen  könne  auch  die  Schule  es  leider  nicht  allen  recht  machen,  ob
wohl  sie  sich  redlich  darum  bemühe,  und  es  seien  glückliche  Augenblicke  für  einen
Schulmeister, wenn er plötzlich fühle, daß er ein Kind ,richtig' angesprochen hat.
Hier  könnten  wiederum  die  Eltern  sehr  viel  für  ihr  Kind  tun,  setze  doch  das  Her
ausfinden der angemessenen Arbeitsmethode die intime Kenntnis des Kindes vor
aus. Auch könnten die Eltern recht gut dem Jungen dazu verhelfen, sich selbst zu
erkennen und so den rechten Weg zu finden. Jedenfalls sollten sie sich über die
gottgewollte Verschiedenheit der Temperamente freuen und gegen olle Versuche
der Gleichmacherei zur Wehr setzen. Selbst Trägheit erweise sich nicht selten als
eine  Gnade  Gottes,  und  auch  für  solche  Jungen  lasse  sich  wohl  ein  Rezept  finden,
übrigens  dürften  die  Eltern  schwer  lernender  Kinder  sich  damit  trösten,  daß  das
Gelernte bei solchen häufig zu einem festeren geistigen Besitz wende als bei den
mühelos  Lernenden.

Vor  allem  sollte  man  sich  stets  bewußt  bleiben,  daß  die  meisten  Menschen  ganz
vegetativ  handeln.  Diese  Erkenntnis  müsse  bei  jeder  Lehr-  und  Lernmethode
berücksichtigt werden. So habe er z. B. erlebt, daß die Konjugation eines lat. Verbs
in  dem  Augenblick  kein  Problem  mehr  war,  als  man  sie  vom  Musikalischen  her
(Rhythmus,  Klang)  an  das  Kind  heranbrachte.  Man  lausche  doch  nur  einmal  einer
rhythmischen Folge wie „laudo — laudas — laudat" oder genieße beispielsweise
die  Musikalität  eines  „laudabimini".

Trotz  aller  äußeren  Hilfen,  so  fuhr  der  Direktor  fort,  bleibe  freilich  d  ais  Ler
nen  die  „c  o  n  d  i  t  i  o  sine  qua  n  o  n"  für  alles  geistige  Wachstum. Auch  das
Kind empfinde schon etwas von der Lust geistiger Erkennlnis, mit der das Lernen
gleichsam belohnt wird. Um diese Lust, die wiederum der natürlichste und stärkste

8

�Antrieb zum Lernen sei, dürfe man das Kind nicht betrügen. Genau das geschehe
ober  mit  den  sattsam  bekannten  Übersetzungen  wie  sie  sich  vornehmlich  im  La
teinischen  so  großer  Beliebtheit  erfreuen.  Auf  der  Oberstufe  herrsche  dann  schließ
lich  der  Geist  vor.  Hier  werde  sehr  konzentrierte  Arbeit  geleistet,  die  ihrem  Wesen
nach weniger ein Lernen als vielmehr ruhiges Besinnen und geistige Vertiefung sei
und  darum  durchaus  im  Liegestuhl  geleistet  wenden  könne.

Entscheidend  für  alles  Lernen  aber  sei  die  Aufmerksamkeit,  an  der  es
allerdings  heute,  wie  gemeinhin  bekannt  ist,  am  meisten  hapert  und  die  zu  för
dern die Eltern sich ebenfalls ganz besonders angelegen sein lassen sollten.
Dann  sprach  Dr.  Plate  über  den  Deutschunterricht.  Mit  Sätzen  wie:
„Der  Mensch  wird  Mensch  durch  seine  Sprache"  —  oider:  „Ich  bin  das,  was  ich
spreche",  machte  er  deutlich,  welche  entscheidende  Rolle  die  Muttersprache  für
die Bildung eines Menschen spiele, zumail sich auch das geistige Wachstum vor
allem  in  der  Sprache  zeige.  Schon  in  der  Bibel  heiße  es  —  freilich  in  einem  ande
ren Zusammenhang: „Deine Sprache verrät Dich", und es sei ganz unverständlich,
daß trotz alledem selbst die gebildeten Schichten unseres Vaterlandes ihre Mutter
sprache  so  wenig  ernst  nähmen.
Den  Deutschen  Aufsatz  bezeichnete  der  Direktor  als  ein  ganz  beson
deres Sorgenkind der Schule. Einmal sei es sehr schwer für den Lehrer, zur rechten
Stunde das rechte Thema zu finden, zum anderen gebe es mancherlei natürliche
Hindernisse  beim  Schüler.  Man  denke  etwa  an  Jungen,  die  von  Haus  aus  Platt
sprechen. Die Schule wende sich gegen die /gehobene' Feiertagssprache ebenso
wie gegen die in Fonmein und Schlagworten erstarrte Amtssprache und den Zeit-
schriftenjargon. „Wer die Muttersprache wirklich hat", so sagte Dr. Plate, „kann
sich so nicht ausdrücken." Die Muttersprache lasse sich allerdings nicht „einfach"
erlernen, sondern werde nur gewonnen, wenn man sein Leben ändere. Die Schule,
so  führte  der  Direktor  aus,  ist  für  die  Werktagssprache,  für  die  kraftvolle,  unver
fälschte Muttersprache, wie sie etwa Schiller aus dem Studium der Lutherbibel zu
wuchs und wie sie das Plattdeutsche mit sicherem Gefühl bis heule bewahrt hat.
Schließlich  empfahl  Dr.  Plate  den  Eltern  einige  „garantiert  wirksame  homöo
pathische  Hausmittel  zum  Kurieren  von  Fehlern  im  Deutschen.  Gegen
Fehler in der Rechtschreibung: Man lerne jeden Tag zwei Sätze auswendig und
schreibe  sie  nach  etwa  einer  Stunde  aus  dem  Gedächtnis  nieder  —  aber  nicht  nur
zwei Tage lang! Als Universalmittel zum besseren Deutsch empfahl er: Lesen, lesen,
lesen . , . und Auswendiglernen. Dazu, so meinte er, könnten alle Eltern ihre Kin
der  wohl  erziehen.

Zur  Geduld  mahnte  der  Direktor  die  Eltern  und  Lehrer  der  Jungen  auf  der
Mittelstufe,  die  er  wie  folgt  charakterisierte:  „Mal  tönen  sie  im  Baß,  mal  quieken
sie, und genau so sieht es bei ihnen auch im Geistigen aus." Die körperliche und
geistige  Entwicklung  vom  Kind  zum  Manne  brauche  einfach  ihre  Zeit  und  lasse
sich nicht gewaltsam beschleunigen. Auf der Oberstufe beginne dann das eigent
liche Denkenlernen. Man solle sich auch hier davor hüten, die Jungen zu überfor
dern.  Es  sei  gut,  sich  immer  wieder  klarzumachen,  daß  die  Menschen  denken,
aber  nur  wenige  richtig,  daß  hingegen  alle  Menschen  fühlen  und  die  meisten
richtig.  Diese  Einsicht  sei  gerade  für  das  Erlernen  der  Muttersprache  von  der
größten Bedeutung. Mit dem ganz allgemeinen Grundsatz „Nulla dies sine linea"

9

�beschloß Dr. Pliale seine Betnachtungen zum Deutschunterricht umd sagte zusam
menfassend  :
„Es darf also keine Freizeit geben, wohl aber Muße, das Sichbesinnen und Ver
weilen im Geistigen. Nur so entsteht diefreude; Das kann ich jeWi Man muß die
Dinge in aller Ruhe innerlich wirksam werden lassen, denn nur in der Stille kann
sich der Geist entfalten. Man muß in den Jungen die Schicht zu treffen versuchen,
wo die Freude darüber wohnt, daß es weiteirgeht, daß man geistig wächst. Und
darüber sollten sich auch die Eltern freuen und sich nicht mit Noten allein zufrie
den geben." Dazu bedürfe es aber der Geduld, denn mit dem V/achstum des
Geistes stehe es ähnlich wie mit dem berühmten englischen Rasen, den man immer
wieder schneiden und sprengen müsse,bis er endlich — nach etwa 200 Jahren
gediehen sei. In diesem Zusammenhong teilte der Direktor ein kleines Erlebnis
aus der Zeit unmittelbar nach dem letzten (Kriege mit. M/öhrend einer nächtlichen
D-Zug->Fahrt fand er sich in einemi Abteil einer Dame in silbergrauem Haar ge
genüber, die zuweilen vor Ermüdung einnickte, zwischendurch aber immer wieder
auffuhr und mit eineim Rotstift eine Beethovenpartitur durcharbeitete. Es war die
greise Pianistin El ly N e^yl, die noch auf dem Wege zur nächsten Stadt und zum
nächsten  Konzert  in  einem  Zustand  zwischen  Schlaf  und  Wachen  arbeitete  und
lernte.  So  schloß  Oberstudiendirektor  Dr.  Plate  mit  dem  Wort  Robert  Schumanns
„Es ist des Lernens kein Ende" seine Ansprache, die an lebendigen Beispielen eben
so reich wiar wie an gütigem Humor aus einer Weisheit des Herzens, wie sie wohl
nur dem erfahrenen Alter eigen ist. Die Schulgemeinde dankte mit sehr herzlichem
B e i f a l l .

*

Die  zweite  Hälfte  des  Abends  gehörte  den  heiteren  Musen.  Oberprimaner
boten unter dem Motto „Beispiele zur Pflege der deutschen Sprache" drei heitere
Improvisationen auf der Szene. Dann hob zu vorgerückter Stunde ein frischfröh
liches Singen und Musizieren an, ausgeführt vom K n a b e n c h o r der S c h u 1 e,
von einer Streichergruppe und kleinen und großen Solisten unter Leitung von
Studienrat Dr. Allerup, der ein ebenso vielseitiges wie anspruchsvoliles Pro
gramm zusammengestellt und liebevoll einstudiert hatte, das in erster Linie der
Pflege der Hausmusik gewidmet war. Chor und Streicher begannen mit

„Alles  war  irdisch  ist,  muß  endlich  vergehn.
Musika bleibet in Ewigkeit bestehn"

in einem Satz aus der Zeit des SOjährigen Krieges. Hermann Hamann (von der V c),
der ,Solist des Abends', spielte mit ,AAeis1erschaft" drei kleine Stütke von Haydn,
Mozart und Beehovem Die beiden Unterprimanier Steeg und Wilms (LH s) gaben
eine schöne Interpretation der Variationssonate in G zu'vier Händen von Mozart.
Ganz besonderer Dank gebührt Herrn Dr. Allerup unid, dem Knabenchor für die
aiusgezeichinete Aufführung von Mendelssohns Duetten für Sopran und Alt (im
Chorsatz): „Gruß" (Eichendorff), „Ährenfeld (Hoffmann von Fallersleben) und „O
söh ich auf der Heide dort" (Burns) sowie für das trotz der späten Stunde mit hel
ler Sangeslust vorgetragene Schlußlied „Mädel wasch Dich", das einen so spon
tanen Beifall auslöste, daß sich die kleinen Sänger zu einem Dakapo entschließen
mußlen. Dafür brauchten sie am folgenden Tagi© erst zur dritten Stunde zum
U n t e r r i c h t 

k o m m e n . 

z u 

1

10

�Unsere  Abiturienten  1959

Vom  2.  bis  7.  Mörz  1959  fand  unter  dem  Vorsitz  von  Oberstudiendirektor  Dr.
Plate unsere diesjährige Reifeprüfung statt. Alle 58 Prüflinge bestanden die Prüfung.
E s  s i n d :
Klasse Ol m (math.-naturw.)

Dietrich  Bartsch
D i e t e r  B ö c k e r
Hans-Jürgen  Borchard
Johannes  Büker
P e t e r  E x t e r n e s t
Horst  Fehmer
Hans-Joachim Freudiger
Egbert  Gerstmann
Arno  Groll
R e i n h a r d  H e r l i t z i u s
W o l f  H i l k e
Bernd  Horstmann
E r n s t  K i r c h n e r
R u d o l f  N e i s e
K l a u s  O f f e r m a n n
Holger  Petersson
K a r l  P r i n z
Norbert  Rover
Gerd  Rowold
Hermann  Schmeing
Rudolf  Schmidt
H a r a l d  S c h u l z e
U d o  S t e l z e r
H u b e r t  T i l l k o r n
Claus  Voigt

Klasse  Ol  s  a  (neusprachl.)

H u b e r t  A b e l e r
F r a n z - J o s e f  A ß h a u e r
A x e l  B e r c h t
Bernhard  Drerup
Volker  FröndhofF
Georg  Gahn
Dirk  Grad  a  US
Dieter Hawerkamp
Manfred  Höner
Jürgen Hungerberg
Manfred Immenkamp
Winfried  Kleine
Jürgen  Kranichi

B e a m t e r
Bau-Ingenieur
Bau-Ingenieur
Theologe
Techniker
P h v s i k e r i
A r z t
OfF.zier  bei  der  Luftwaffe  der  BW
Studium der Mathematik und Physik
Jurist
Physiker
Ve rk eh rs fingen i e u r
Dipl.-Ingenieur
Voksschullehrer
J u r i s t
Studium der Mathematik und Physik
Volksschullehrer
Bau-Ingenieur
Volksschullehrer
Physiker
Dipl.-Dolmetscher
Studium  der  Pharmazie  und  Chemie
Offizier  bei  der  Bundeswehr
A r z t
Bau-Ingenieur

Kaufmann
Volksschuillehrer
Studium  der  Volkswirtschaft  und  Jura
Dipl.-Ingenieur
Philologe
A r z t
A r z t
Studium der Staats- u. Rechtswissensch.
Ingenieur
A r z t
A r z t
Philologe
Philologe

11

�Hans-Reinhard  Lehmphul
Horst  Michaelis
Rolf  Münch
Ewald  Oetter  _
BieteT^ahlen
Konrad  Pöpsel
H a n s  R e u t e r
K a r l - F r i t z  S t e l l e r
Marcel  Willamsen

Kunsterzieher
Studium der Philosophie und Soziologie
Studium  der  Germanistik
Philologe
Industriekaufmann
Schiffsbau-Ingenieur
Studium  der  Germanistik
Offizier  bei  der  Luftwaffe  der  BW
Philologe

Klasse  Ol  s  b  (neusprachil.)

Wilfried  Ast
Wolfgang  Bluimenberg
Dieter  Duwenig
Helmut  Flöel
H a n s - D i e t e r  F r e m a n n
Klaus-Dieter  Gramatke
Hans-Jürgen  Heimpold
Dieter  Kersting
Klaus  Küper
Wolf  Michaelis
R e i n e r  M ö l l e c k

Philologe
Dipl.-Ingenieur
Philologe
Philologe
Philologe
Ingenieur
Philologe
A r z t
Jura  und  Geschichte
A r z t
Dipl.-Physiker

1 2

�Entlassungsfeier für die Abituhentia 1959
Herrlicher Tag! Unigetrübte Sonne. In ider hoben Kastamie die ersten flügel

schlagenden  Stare.

Das  Trappeln  feiner  Scbuhe  auf  den  Fliesen  des  Flures.  Neben  dem  Ehrenmol
'brennt  auf  ihrem  schweren  Ständer  die  dicke  Kerze.  Beide Türen  der Aufa  weit
geöffnet. Fast alle Menschen in festlichem Schwarz, über den einrückenden J.ungen
flirrt die Erwartung. Wiedersehen mit vielen alten Beikannten.

Das feierliche Sich-Erheben zum Einzug. Die fröhlich-ernsten Gesichter der Abi
turienten. Leichte Erregung im Spiel des kleinen Orchesters. Nachdenklich-beschei
dene Dankesworte des scheidenden Schülers: „. . . und vielleicht gelingt es einem
von uns auch einmal, einen Stern zu enhasche'n . . ." Verständige Würdigung der
Schularbeit durch einen kundigen Vater. Ein neuer Cellist spielt im Schulorchester;
der alte sitzt unter den Abiturienten. N'un die Rede des Direkors, in jedem Jahr
erwarteter  Höhepunkt.  Und  es  gelingt  wieder,  denn  diese  Bilder  bleiben;  der
Manni, der am Bette der jungen Frau, 'die ein Kind geboren hat, sagt: Nu sü tou,
dat du et grout krisi — und die Weisung, das Leben an-sich-zu-nehmen, wie eine
Mutter ihr Kind an sich nimmt. Alle Nomen der Abiturienten klingen noch einmal
auf aus dem Munde des Sextaners. Schönes, spannungsloses Nebeneinander von
Anfang und Ende.. Die Zeugnisse in den Händen der Großen, der goldene Oster
hase in den Händen des Kleinen. Helle Knabenstimmen singen Abschiedslieder.
Guter Klang der Hymne: „. . . blüh im Glänze dieses Glückes . . ." iDer große
Beifall und der langsame Ausmarsch.

Letzte  Ge'Spräche  auf  dem  Flur.  Viel  Händedrücken.  Die  Kerze  am  Ehrenmal

flackert im Luftzug derer, die die Treppen nehmen.

Helles  Sonnenlicht  ouf  der  Straße.  Viele  Motoren  springen  an.  Die  Schiebe
S c h .

H e r r l i c h e r 

o f f e n . 

T a g ! 

d ä c h e r 

s i n d 

F r . 

Die  Schule  —  von  allen  Seiten  betrachtet

1. (aus der Perspektive des Sextaners)

Ein  Gymnasium  hat  den  Vorteil,  daß  man  für  jedes  Fach  einen  anderen  Lehrer
hat. Wenn nun eine Klasse einen sehr „giftigen" Lehrer hat, ist das noch gerade
zu  ertragen.  Wenn  aber  diese  Klasse  den  Lehrer  den  ganzen  Tag  hätte,  würden
viele  Schüler  die  Nerven  verlieren.

Nicht  sehr  schön  finde  ich  es,  daß  das  Schiwimimen  für  unsere  Klasse  in  dier  6.

uind 7. Stunde ist — man ko'mimt dann viel zu spät zum Mittagessen.

Weiter  finde  ich  es  nicht  schön,  daß  der  Sch.ulhof  mit  einem  so  rauhen  Material

befestigt  ist.  Wenn  man  hinfällt,  reibt  man  sich  die  Kniee  und  Hände  wund.

Falls es in der Klasse einmal laut ist, sollte der Lehrer nicht die ganze Klasse
bestrafen, sondern sich d i e heraussuchen, die wirklich, laut gewesen sind. Das
erstere ist zwar viel bequemer, aber das andere dafür nach meiner Meinung
gerechter.

1 3

�II. (aus der Perspektive des Obertertianers)

Vor ein paar Taigen kaim ich, wie schon oft, in letzter Minute zur Schule uod
stellte  mein  Rad  schnell  in  meinen  Ständer.  Dabei  dachte  ich  mir,  daß  die  Stän
derfrage im Vergleich zu früher doch gut gelöst ist. In der alten Schule mußte ich
mir  immer  erst  einen  Platz  suchen  und  verlor  dadurch  Zeit.

Auf dem Weg zum Zeichensaal scholl mir großer Lärm entgegen. Ich bedauerte
sehr,  daß  der  Zeichensaal  keine  schalldichten  Wände  hat.  Denn  meistens  dauer*
es  nicht  lange,  und  der  Herr  Direktor  steht  in  der  Tür  uind  führt  bittere  Klage  über
unser  schlechtes  Beneihmen.

Der  Mittelbau  sieht  zwar  von  außen  nicht  schön  aus  und  paßt  nicht  zu  den
neueren iFiügeln, aber er hat seine Vorzüge. Hat man nämlich einmal ein schlech
tes Gewissen und will deswegen einem Lehrer ausweichen, findet sich hierfür gute
Gelegenheit  in  den  Ecken  und  Winkeln  des  Flurs.

Das Buttenbrotspapier gehört zwar in den Papierkorb. Aber wenn niemand in
der  Nähe  ist,  wirft  man  es  gern  in  die  Gegend.  Nach  dem  Auskippen  werden
nämlich die Körbe nie wieder richtig verteilt. Die Sextaner freuen sich dann ganz
besonders  darüber,  daß  sie  das  Papier  aufheben  dürfen.

Die  Vorteile  unserer  Schule  würden,  nachdem  das  Ratsgymnasium  ausgezogen
ist,  noch  mehr  ins Auge  fallen,  wenn  diese  kleinen  Mängel  verschwänden.  Die
Lehrer würden sich dann weniger ärgern, und uns könnte dos nur recht sein.

III. (aus dar Perspektive des Primaners)

Ich besuche seit zwei Jahren das Schlaun-^Gymnasium. Wenn ich es nach einer
solch kurzen Zeit wage, Kritik an deirSchule zu üben, dann möchte ich alle herzlich
bitten, mich deswegen nicht für einen Meckerer zu halten. Natürlich habe ich nicht
die langjährige Erfahrung meiner Mitschüler, die von Sexta an die Schule besuchen;
aber ich bin auch noch nicht dazu gekommen, mich an all das, was mir nicht ge
fällt,  zu  gewöhnen;  außerdem  kann  ich,  was  ich  „bei  Schlauns"  erlebe,  mit  den
Verhältnissen  auf  meiner  alten  Schule  vergleichen.

Da  fällt  mir  gleich  die  Schülermdtverantwortung  auf.  Zweifelbs  ist
sie rührend, tätig. Es finden oft Sitzungen des Schülerparlamentes statt, und es
gibt sogar eine Verfassung. Herausgesprungen is bei den Beratungen auch schon
etwas. Seit einigen Monaten werden Tanztees abgehalten, und die Mitverant
wortung sitzt an der Kasse, wenn in der Aula Theater gespielt wird. Sicher ist das
nicht alles, wais diese Einrichtung leistet, aber ich weiß von ihr nicht mehr. Und
das finde ich merkwürdig. Die Sitzungen sind geheim. Man ka'nn sie weder als Zu
hörer besuchen, noch ist bei den 'Klassenvertretern etwas von dem herauszukrie
gen, was besprochen wurde. Dabei besteht das Schölerparlament doch aus Schü
lern,  die  wir  gewählt  haben,  und  wir  möchten  deshalb  auch  gerne  wissen,  was
in  unserem  Auftrage  getan  wird.

Auch  an  die  Veranstaltungen  unserer  Schule  denke  ich.  Sie  sind,  glaube  ich,  für
die Schule dasselbe, was die großen Feste für die Familie sind|, und ich finde es
gut, daß es an unserer Schule so etwas wie Sportfeste, Sommerfeste, Handball-,.

1 4

�Fußball-  und  jetzt  sogor  Basketballturniere  gibt,  daß  wir  einen  Schülerturnverein,
einen  Schachklub,  idie  Bannermannschaft  und  den  Schulchor  haben.  Aber  darf  ich,
weili ich selbst gern musiziere und singe, zur Arbeit des Schulchores einmal einige
Vorschläge  machen?  Wäre  es  nicht  möglich,,  unseren  Knabenchor  jetzt,  wo
wir  wieder  allein  sind,  zu  einem  großen,  gemischten  Chor  auszubauen,  der
dann vieilleicht sogar regelmäßig, wie die Schiriftleitung dieser Zeitung in Nr. 16
vorschlug, größere Chorwerke singen könnte? Ich weiß sicher, daß viele Schüler
aus den oberen Klassen das sehr gerne hätten.

Ja,  und  was  habe  ich  am  meisten  auf  dem  Herzen?  Einmal  etwas  über  das
Verhältnis  zwischen  den  Schülern  der  Oberstufe  zu 
ihren  Lehrer  zu
sogen.  Uns  ist  so  oft  gesagt  worden,  daß  wir  mit  unseren  Lehrern  zusammen  ouf
das Abitur hinambeiten. Dazu ist ein ganz persönliches Verhältnis zwischen ihnen
und uns notwendig, und das besteht, nach meinem Eindruck, leider noch nicht zur
Genüge. Ich kann es einfach nicht hören, wenn es heißt: „Müller, gehen Sie zur
Tafel!"  Dann  komme  ich  mir  vor  wie  auf  dem  Kasernenhof.  Warum  werden  wir
nicht  mit  unserem  Vornamen  aufgerufen  (und  olle,  ob  wir  nun  immer  auf  der
Schule gewesen sind oder erst kurze Zeit)? Wenn das nicht geschieht, hat man
das Gefühl, daß die Lehrer hoch über uns stehen, daß die Distance unüberwind
lich ist. Nun sind aber unsere Lehrer sicher unsere Vorgesetzten, und wir müssen
und  können  viel  von  ihnen  lernen;  aber  sie  stehen  doch  auch  da  als  Vertreter
unserer  Eltern,  die  uns  ja  auch  nicht  bei  unserem  Familiennamen  rufen.

Und noch etwas anderes ist mir nicht recht, dies nämlich: daß Lehrer und Schü
ler in den Schulgängen so oft aneinander vorbeilaufen und sich gegenseitig über
sehen. Erst in der Klasse scheinen sie sich wieder zu kennen. Ich weiß jedenfalls
nicht, ob ich meinen Lehrern, wenn sie mir im Gebäude begegnen, einen guten
Morgen wünschen soll, denn ich bin nie sicher, ob das angenehm ist oder ob es
stört. Ich wäre froh, wenn sich das ändern würde. Man könnte mit viel mehr Lust
und Mut auf dos Abitur hinarbeiten in der Gewißheit, daß man nicht Fremden,
sondern Freunden gegenübersteht.

IV.  (aus  noch  größerem  Abstand)

Jedermann weiß heutzutage, was ein Star ist; denn jedermonn weiß, wer ein
Star ist. Soviel Englisch kann doch wohl jeder, daß er dabei nicht an einen Vogel
denken muß. Von den Staren-Vögeln reden nur noch die Biologielehrer. Das Leben
der Stars hingegen kennt jedes Kind.

In  meiner  Schulzeit  freilich  war  das  noch  anders.  Mein  Direktor  wußte  z.  B.
noch  nicht  einmal,  daß  man  bei  einem  Star  in  Geduld  zu  warten  hat,  bis  er  er
scheint; und derinoch konnte er diomals Direktor sein. Was der gute Mann jedoch
in  seiner  Unkenntnis  dieser  Dinge  angerichtet  hat,  das  will  ich  berichten.^

Z u  We i h n a c h t e n  w o l l t e  d i e  S c h u l e  m i t  d e n  E l t e r n  e i n e  S c h u l f e i e r  v e r a n
stalten. Dabei sollte ein Weihnachtsspiel aufgeführt werden, in dessen Mittelpunkt
ein  längerer  Wechselgesang  der  Heiligen  Drei  Könige  stand.  Obwohl  ich  erst  vor
kurzem  von  auswärts  her  in  die  Schule  gekommen  war,  gab  es  für  den  Musik
lehrer keinen Zlwaifel, daß ich diaibei — ich war .damals Quintaner und ein ge-

1 5

�übter Vorsänger — die Altstimme zu singen hätte. Schwierigier war es, für die bei
den  onderen  Könige  den  geeigineten Tenor  und  den  Sopran  zu  finden.  Bei  den
Proben  konnte  auch  ein  Quintaner  merken^  daß  die  Stimmen  dler  drei  Könige  nicht
gleich  geschult  waren.  Aber  bei  einer  Schulfeier  kommt  es  nicht  auf  Vollkommen
heit  an,  und  mir  war  es  recht.

Oer lang erwartete Abend war gekommen. V/ir Chonknaben, als Engel verklei
det, sangen die Weihnachtsgeschichte. Nach einem feierlichen Zwischenspieli des
Schulorchesters — wir „Könige" zogen ums dabei schnell um — kam der Höhe
punkt  des Abends,  der Aufzug  der  Heiligen  Drei  Könige. Als  wir  auf  die-  Bühne
zogen,  leuchteten  um  uns  die  Kerzen  der  Chorknaben.  Im  Saal  ober  war  es  dun
kel  und  totenstilL  Und  nun  sangen'  wir,  von  Instrumenten  begleitet,  zuerst
gemeinsam, dann im V/echselgesang „unsere" Geschichte. Als ich an der Reihe
war,  sang  ich  so  versiunken,  daß  ich  alles  um  mich  herum  vergaß.  Der  ältere
König  mußte  mich  anstoßen,  damit  ich  weiterzog.  Dann  'aber  spürte  ich  von'
Strophe  zu  Strophe,  ich  weiß  nicht  woher,  daß  die  gesamte  Schulgemeinde  mehr
un'd  mehir  auf  meine  Stimme  lauBchte.  Als  wir  zu  Endie  wairen,  mußten  wir  den
Schluß  wiederholen,  und  mit  großem  Beifall,  recht  passend  für  ein  Weihnachts
spiel,  zogen  wir  ab.  Mir  aber  hatte  der  Direktor  dabei  die  Wangen  gestreichelt
und  merkwürdig,  obwohl  ich  dergleichen  sonst  nicht  gern  litt:  diesmial  hatte  ich
nichts  dagegen.

Taumelnd  und  erregt  kam  ich  im  Garderobenzimmer  an  uad  begann  mich  um
zuziehen.  Da  stürzte  ein  Primaner  herein,  um  mich  zu  holen.  Die  Eltern  wünschten
mich  noch  einmal  zu.  sehen:  der  Direktor  habe  bestimmt,  ich  sollte  die  Gewinnlose
der  Wohltätigkeitslotterie  aussuchen.  „Aber  ich  kann  'doch  nicht  mit  halbem  Staat
erscheinen?"  —  „Wirf  den  M'ontel  um,  und  komm",  wurde  'mir  entgegnet.  —
„Nein, sag dem Direktor, er möge etwas warten, ich wore gleich fertig."

Gesagt — gelan. Doch es dauerte ein kleines Weilchen. Als ich dann stolz in
die Aula gehe und eben auf die Bühne treten will, W'erde ich von einem älteren
Schüler des Orchesters am Arm gegriffen und zurückgeholten. „Ja, ober, ich. . . ."
—  „Pst!  Zurück,  siehst  Du  denn  nicht?"  —

Wahrhaftig!  Das  Herz  krampfte  sich  mir  zusammen.  Da  steht  ein  blonder  Sex
taner  neben  d'Sm  Direktor  und  schüttelt  den  Eimer  mit  iden  losen.  Ja,  durfte  er
das  denn?  Das  war  doch  imeine  Sache.  Mich  hatte  man  gerufen.  Der  war  ja  noch
nicht  einmal  im  Chor!  Bestürzt  und  hilfesuichend  zugleich  schaute  ich  in  den  schreck
lich  hell  erleuchteten  Saal.  Aber  alle  Blicke  sind  in  freudiger  Spannung  auf  den
Sextaner  gerichtet,  niem'and  beachtet  mich.  Dai  entdecke  ich.  mitten  im  Saal,  mein-e
lächelt.  Jetzt  stößt  sie  meinen  Vater  an,  der
Mutier.  Sie  schaut  zu  mir  und 
nickt  mir  zu.  Tief  atme 
ich  auf
Zehenspitzen  zui  den  Bänken,  wo  der  Chor  sitzt,  um  mich  dort  einzuordnen,  wo
ich  hingehöre.

ich  auf  und  winke  zurück.  Dann  aber  schleiche 

Froh und müde zugleich folge ich dem Abschluß des Abends und spüre, daß
aus mir etwas ganz anderes geworden wäre, wenn wir nicht so einen altmodischen
Direktor  gehabt  hätten,  der  mir  unversehens  den  „Star  gestochen"  hatte.  U.  E

1 6

�(P^jeUautiAd^LfieiJ&m
Mit Beginn des neuen Schuliahres nehmen wir in ,einem

das Ruder^Training wieder auf.

schuleigenen  Ruderboot

Dos Boot, ein A-Vierer, wird in wenigem Wochen geliefert und soll damn einen

Namen  bekommen.

Wir rufen hiermit alle interessierten Schüler unserer Schule auf„ an der Namen-

gebumg mitzuwirken, indem sie einem Vorschlag
bei Herrn Dr. Tuchmiann obgeben.

bis zum 20. April, 1959

Derjenige, dessen Vorschlag angenommen wird, erhält einen

Bei mehreren gleichlautenden Vorschlägen entscheidet die Schriftleitung durch

P r e i s  v o n  1 0 . —  D M .

Los,  welcher  der  Einsender  dem  Preis  erhält.

1 7

�D e r  a r m e  P o e t

Eine  Bildbeschreibung

Der Rauim, in den wir hineinsehen, macht einen äußerst nüchternen, ja ärm
lichen  Eindruck.  Dos  Licht  föilt  durch  ein  Erkerfenster  ein,  trifft  ober  nicht  dos
Loger des Dichters. Rechts sieht man eine aus rohem Holz gefertigtet Tür. Decke
und Fußbaden sind aus klobigen Balken und Brettern gefügt. Sie laufen oben wie
unten einförmig-gleichmäßig und ohne jede Verzierung d'urch den ganzen Raum
aiuf  den  Eintretenden  zu.  Die  Wände  sind  schlecht  verputzt.

Das einzige Möbelslück in dem kohlen Raiumte ist ein großer Kachelofen, von
dem man nur die unbeleuchtete Seite mit fdiem Feuerloch sieht. In dessen Schwärze
liegen verkohlte Papiere. Ein Zylinderhut an dem schwarzen, grausam eckigen
Ofenrohr und eine Schale nebst Flasche' aiuf der Ofenplatte zeigen an, daß das
Feuer  nicht  brennt.  Der  Raum  wirkt  dadurch  noch  kälter,,  als  er  an  sich  schon  ist.
Unordentlich liegen gebündelte Zeitungen, ein einzelner Stiefel, ein Stiefelknecht,
steht  ein  Handstock  auf  dem  Boden.  An  der  linken  Wandt  hinter  dem  Kachelofen,

1 8

�hätiigt ein alter Gehrock an einem Nagel. Wie eine Brücke verbindet ein aufge
hängtes zerschlissenes Handtuch das Lager des Dichters mit der kahlen Wamd.
(Oder  würde  es  treffender  heißen:  Ein  zerschlissenes  Handtuch  verbindet  diese
nüchterne, harte Welt der Wirklichkeit mit der Welt des Dichters, gleichsam wie
eine Brücke zwischen beiden?)

Der  Dichter  liegt  in  der  nicht  vom  Lichte  getroffenen  rechten  Ecke  das  Raumes
auf einem einfachen Matratzenlager. Er hat seine Knie stark angezogen, so daß
sie  ihm  als  Lesepult  dienen  können.  Das  Licht  umspielt  ihn,  ohne  ihn  zu  berühren.
Er liegt zufrieden, ja glücklich da. Große, weiche Kissen hat er sich unter den Kopf
geschoben. Eine Decke wärmt ihn. Er trägt einen ansehnlichen Morgenrock, dazu
eine Nachtmütze. Nahe bei ihm sehen wir mächtige Bücher aufgestapelt und an
einandergereiht,  die  ihn  wie  eine  Mauer  vor  der  Umwelt  schützen.  Ein  fast  leeres
Tintenfaß  steht  griffbereit  neben  ihm  auf  einer  Schachtel,  dazu  die  für  ihn  wohl
unvermeidliche  T  abaksdose  —  sein  einziger  Luxus.  Ein  aufgespannter  Regen
schirm wölbt sich über dem Dichter. Er schützt ihn vor Nässe, die durch das gewiß
undichte Dach eindringen und ihn stören könnte. Die Wölbung des Schirmes bildet
mit  der  geschwungenen  Form  seiner  Glieder  und  dem  Bücheroufbou  einen  fast
geschlossenen,  schützenden  Kreis.

Der  Poet  hält  in  der  einen  Hand  sein  eben  vollendetes  Wenk  und  liest  es  sich
vor, die Gänsefeder im Munde. Mit der anderen Hand prüft er den Rhythmus und
das  Metron,  dessen  Schema  er  sich  in  den  Kalk  der  Wand  eingeiritzt  hat.  Er  scheint
z u f r i e d e n  z u  s e i n .

In der so unfreundlichen Umgebung liegt er unbeschwert und friedlich wie ein
Kind  da.  Wie  ich  ihn  so  betrachte,  meß  ich  an  ein  Gedicht  von  J.  Weinheber  den
ken,  in  welchem  es  heißt;

„Wir  einsam,  übersehn,  verkannt.
Bauein  uns  ous  Traum  ein  Heimatland
Und  teilen  jedem,  der  da  will.
Vom  gottnalh  seligen  Gefühl  .  .  ."

Dieser  Dichter  hat  sie  gefunden,  diese  andere  Welt.  Sie  gehört  ihm  und  er  ihr.
Er  ist  darin  wie  zuhause  —'  ist  in  seinem  Heimatland.  Detlef  Kra.uth  (QUI  sa)

Wie  ich  einmal  einer  alten  Frau  eine  Freude  gemacht  habe
Oma  Hohmann  in  unserm  Hause  war  krank.  Ich  wollte  igerade  zum  Spielen

gehen, da fragte sie mich: „Hans-Georg, holst dü mir wohl einen Liter Milch?"

„Ja,  das  mache  ich."
Sie gab mir 20 Pfennige zu viel mit und meinte: „Den Rest darfst du behalten."
Das  wollte  ich  nicht.  Doch  sie  ließ  sich  nicht  idavon  abbringen.  So  ging  ich  denn
zum  Milchimann,  Auf  dem  Rückwe-g  übeirlegte  ich,  wie  ich  Frau  Hohmoinn  das  Geld
zuTÜckjgeben  könnte.'  Mir  fiel  nichts  ein.  Inzwischen  war  ich  schon  on  ihre  Türe  ge-

1 9

�kommen. Ich schellte an. Als sie aufgemacht hattei, gab ich ihr diie Hand und die
Flasche  Milch.  Und  ehe  sie  wußte,  was  los  war,  war  ich  schon  die  Treppe  hin-
untergesauist.  Jetzt  erst  merkte  sie,  daß  ich  ihr  das  übrige  Geld  in  die  Hand  ge
d r ü c k t  h a ß e .

Ich  kaufe  jetzt  ijeden  Taig  für  Frau  Hohmann  ein  —  ohne  Botenfohin.

H a n s - G e o r g  D e n s e  ( V a )

Sextaner  befassen  sich  mit  der  schwierigen  Frage
Was  sie  tun  würden,  wenn  sie  Lehrer  wären

Es  ist  wohl  schwer  zu  sagen,  was  ich  tun  würde,  wenn  ich  Lehrer  wäre.  Ich  habe

zwar  vor,  Lehrer  zu  werden.

I.

Wenn  die  Jungen  garnichts  lernen  wollen  und  zu  frech  sind,  lasse  ich  sie  ein
fach  sitzen  und  beschäftige  mich  mit  dianen,  die  weilen.  Aber  Ostern  kommt  ja
das  Entscheidende;  Ich  lasse  sie  nicht  nur  sitzen,,  sondern  durch  den  Direktor  und
den  Schulrat  von  der  Schule  hinunterschimeißen.  Den  Jungen,  die  nur  manchmal
ein  bißchen  Unfug  machen,  gebe  ich  eine  Strafarbeit  auf,  wie  sie  sie  verdient
haben,.,  Ich  möchte  sie  nicht  geirne  bau,ein,  denn  das  wäre  mir  viel  zu.  anstrengend
und nähme mir viel zu viel Zeit in Anspruch. Sirafarbeiten aufzugeben ist ja viel
l e i c h t e r.

Die  Strafarbeiten  sammle  ich  vor  der  Stunde  ein,  ,und  wienn  einer  seine  Straf
arbeit ins Arbeitsheft geschrieben hat, so muß er sie auf einem Zettel noch einmal
sauber  schreiben.

Am  schönsten  ist  es  ober  wohl,  wenn  alle  artig  sind. Andre  K  au,  th  (VI  o)

II.

Ich  würde  das  etwas  anders  m,achen.  Ich  wünde  den  Jungen  meiner  Klasse  z.  B.
einmal richtig erzählen, daß es viel schöner ist, wenn alle ruhig sind. Denn dann
könnte  ich  viel  besser  unterrichten,  der  Unterricht  würde  mehr  Spaß  machen,  und
keiner  würde  ,mehr  stören.  Mit  Straforbeiten  wünde  ich  nicht  so  kleinlich  sein,  denn
der Lehrer sollte sich überlegen, daß er ja auch einmal Junge gew-esen ist. Dann
ginge  alles  viel  besser,  meine  ich.

Öfters wünde ich ein spannendes Buch aus der Schüleirbücherei nehmen. Aus
diesem  würde  ich  am  Ende  der  Stunde  vorlesen.  Wenn  dann  einer  geschwätzt
hätte,  müßte  er  sich  während  idieser  Zeit  auf  den  Flur  stellen.  Dann  würde  sich
alles  zusamimen-reißen.  Lind  keiner  wüird,e  -mehr  schwätzen.

Strafarbeitien  würde  ich  überhaupt  nicht  aufgeben,  sondern  dien  Unartigen
wünde  ich  ,eine  Ohrfeige  geben.  Eine  Ohrfelge  tut  nur  für  eine  kurze  Zeit  weh.
Aber  eine  Strafarbeit  kann  elnelm  den  ganzen  Tag  verderben.  Wenn  schönes  Wet
ter  ist,  hockt  .man  dann  den  ganzen  Tag  in  der  Stube,  was  sehr  ungesund  sein
kann.  Höchstens  würde  ich  einem  schlechten  Rechner  Rechenaufgaben  aufgeben
und  einem,  der  nicht  gut  rechtschrei-ben  kann,  etwas  zu  schreiben.  Dann  würden
sie  daraus  lernen,  unid  die  Straforbeit  hätte  Sinn.  Norbert  Frie  (Via,)

2 0

�Aus dem Biologie-Unterricht

Kennt  ihr  die  Sumpfmieise  oder  den  Kleiber?  Wißt  ihr,
wie  ein  Grünfink  oder  ein  iBaiurnläufer  aussieht?  Wenn
nicht, dann gebe ich euch einen Tip:
Diese  Vögel  sind  töigiliche  Gäste  unserer  Schule.  Genauer
gesagt  sind  diese  Vögel  zu  Gast  bei  der  Sexta  b.  Doch
ich  will  nichts  voreilig  verraten.  Zwei  Sextaner  wollen  es
e u c h  s e l b s t  e r z ä h l e n .

Es war ein strenger Winter. Die Vögel litten große Not. Der Schnee lag sehr
hoch. Da komen wir auf die Idee, den Vögeln eine Freude zu machen, und bau
ten  ein  Fulterhaus.

I.

Unser Biologielehrer brachte drei große Breiter mit. Wir gingen damit in de.n

Werkraum und bauen daraus ein Vogelhaus.

Nun  mußten  wir  überlegen,  wo  wir  es  wohl  aufstellen  könnten.  Wir  wußten
es baild: gegenüber vom Zoo haben wir es unter einem dickem Baum am Philoso
phenweg aufgestellt. Dort steht es geschützt.

Täglich geht einer von unserer iKIasse hin und füttert Kohln-jeisen, Blaumeisen,
Sumpfmeisen, Kleiber, Grünfinken und Drosseln. lEs ist schön, ihrem Treiben zuzu
sehen. Spatzen sind natürlich auch da. Wo wären die nicht, wenn es was zu
fressen  gibt!  Aber  das  macht  nichts.

Wie possierlich es dann on der Aa aussieht! Die Teichhühner kommen bis unter
das Vogeilhaus und fressen die hinuntergefallerien Körner. Kl. S c h u h mi a c h e r

Es ist gar nicht so einfach, den Nagel nicht krumm zu schlagen

21

�Der  Winter  kam  mit  Eis  und  Frost.
Da  überlegte  sich  Herr  Post,
Mit  uns  ein  Fuitterhaus  zu  baun
Und  dort  dem  Vögeln  zuzuschaun.
Als  das  Futtenhaus  fertig  war.
Stellten  wir  es  auf  an  der  Aa.
Jeden Tag muß jiemand zum Füttern gehn.
Da  kann  er  viele  Vögel  sehn.
Nun  haben  wir  einen  neuen  Plan.
Damit fängt die ganze Klasse an:
Wir  bauen  Nistkästen  für  die  Meisen  —■
Denn am Futterhaus können die Vögeil nur speisien.

R u d, i S t e i n g r u b e

Ich  warte  auf  den  Obus

Es ist noch früh am Morgen, fast noch dunkel. Das fahle Licht der erstem Däm
merung breitet sich schwach am Himmel aus und genügt gerade, die schweren
Wolken erkennen zu lassen, die grauschwarz über der Stadt hängen. Ich stehe an
der  Bushaltestelle.  Außer  mir  wartet  niemand.
Kalt und in heftigen Stößen fegt der Wind um die 'Ecke und,treibt mir Sprüh
regen ins Gesicht. Ich drehe mich um und schlage den Mantelkragen hoch. Em un
gemütliches Wetterl Ich suchie Schutz in einem Lademeingamg,.
Die Lam.pe Ober der Straße schaukelt hin und her. In ihrem trüben Licht schim
mert das nasse Kopfsteinpflaster malt auf. Ein Auto fährt vorbei. Einen Augen
blick sehe ich die stumpfe Spur seiner Reifen, dann hat sie der Regen wegge
waschen.  Mich  fröstelt.

Die schaukelnde Lampe läßt in schnellem Takt die schwarzen Pfützen aufblin
ken, die auf dem Gehwieg stehen. Ein Mann kommt heran, steigt vorsichtig über
die'diunklen Lachen hinweg und stellt sich zu mir in den Eingang. Ihm scheint d<as
Wetter ebenfalls nicht zu behagen. Seine blaue Schirmmütze hat er weit ins Ge
sicht gezogen. Seine Hände stecken tief in den Manteltaschen.

Der Bus müßte bald kommen. Noch zwei Männer und eine alte Frau finden sich
ein und tauschen kurze Bemerkungen über das Welter aus. Ich kenne sie nicht,
aber ihre Gegenwart läßt die trübe und etwas gespenstische Stimmung, die ich
anfangs empfunden höbe, schwinden.

Da höre ich ein helles Surren, das rasch laiuleir wird. Der Obusl Und schon
schwenken  seine  Scheinwerfer  um  die  Ecke.  Ernst  Brors  (Otllsa)

2 2

�Rudolf H il g e m a n n (V b)

�An  die  Schlaun-Schüler-Gewerkschaft

Als „Gew&rkschaflsboß" möchte ich zum Schluß des Arbeitsiahres 1958/59 einige
Worte an euch richten. Ihr wundert euch über eure Rolle? N.un, ich habe mich auch
gewundert, als man mich neuilich mit „Gewerkschaftsboß" anredetei Natürlich
habe ich über diese neuartige Bezeichnung nachgedacht und mich gefragt, was
der Schöpfer dieses Titels sich dabei woihl gedacht hatte. Er wollte mich wahr
scheinlich hänseln, hatte aber nicht bedacht, daß eine Gewerkschaft eine Vereini
gung von Arbeitnehmern (= Schülern) ist, deren Intenessen der Gewerkschafts
führer (ehrlich gesagt: „Boß" klingt mir zu aggressiv) gegenübeir den Arbeitge
bern (= Lehrern) vertritt. Freuen muß sich also ein Schulsprecher, der eine wahre
Schülergemeinschaft hinter sich hat. Der erwähnte Herr hatte unsere Schülerschaft
unbewußt als eine Interessengemeinschaft bezeichnet, die auf Klassenebene etwa
über einen Vorschlag berät und ihn dann dem Schulsprecher als ihrem Vertreter
vorträ-gt. Der Herr hatte dies unbewußt getan, folglich war kein iob dabei.

Und nun, liebe Kameraden, zweierlei. Zunächst sind' unter uns noch zu viele
Gleichgültige, denen nicht klar ist, daß sie durch mangelnden Einsatz das Werden
der Schuilgemeinschaft hemimen. Ist es etwa gleichgültig, langweilig/ vergeudete
Zeit, wenn unsere Fußballgruppe Spiele gegen andere Schulen austrägt? Wenn
die Handbai Ig nuppe mit zwei Mannschaften an den Stadtmeisterschaften teilnimmt?
Wenn  die  Basiketballer  unter  den  letzten  acht  Mannschaften  Westfalens  in  Dort
mund spielen? Wenn die Schachgruppe eine Schulmeisterschaft austrägt? Ich
glou:be nicht, daß alle Schüler von dem Bestehen einer Zeiichnergiruppe, einer Bast
lergruppe, einer Tischtennisgruppe an unserer Schule 'wissen. Ist es bei solcher Viel
seitigkeit nicht gerad'eizu schwierig, sich ein eintöniges Schulleben zu bereiten?

Dann: Um eine Sache kommen wir nicht herum — unsere Arbeitsgruppen brau
chen Geld. ^Es gibt bestimmt einige Leser, die fragen: wozui? Als nicht gerade
Weitsichtiger kann ich es Kurzsichtigen ja sagen: Es gibt Fahrtkosten und es gibt
Beschaffungskosten, die wir aalbst tragen müssen. Wie steht ihr da zu meinem Vor
schlag, daß jeder von uns S c ih üi I e r n zu A in f a n g d ei s neuen S c h u I -
j ahire s m i t 1,— DM b e i trögt, diese Schwierigkeit aus der Welt zu schaffen?
Ferner: Theoretisch gibt' es in ijeder- Klasse- einen Verantwortlichen für die
Schulzeitung. Praktisch ist es ziemlich still um ihn — bis zu diem Tage, an
dem die neue Nummer d'er Schulzeiliung erscheint. Dabei gibt es Themen genug.
Warum in die Ferne schweifen? — Daß die Sache nicht gegen die Lehirer, son
dern m. i t den Lehrern geht, ist selbstverständlich.

Laßt uns alo versuchen, alle Anzeichen eines „müden Haufens" zu beseitigen,
damit nicht nur e i n Lehrer im Unterbewußtsein von uns als einer Gewerkschaft
spricht. Kameraden, die nur im Hochsommer einen Vorschlag machen (den stereo
typen Vorschlag, „hitzefrei" zu erbitten), wie diejenigen, die erst nach Erschei
nen der Schulzeitung ihr Talent als Kritiker offenbaren,, ziehen am falschen Ende.
E u e r S c i h u l s p r © c h e . r

2 4

�Mein  Hobby

Mein Hobby ist das Mikinoskopieren. Ich habe mir vor vier Jahren ein kleines
Mikroskop gebastelt, mit deim ich die Oihiekte ungefähr 125mal. vergrößern konnte.
Es machte mir viel Freude, befriedigte mich aber auf die Dauer nicht, da die Lin
sen  fehlerhaft  waren  und  so  das  Bild  nie  ganz  scharf  wurdei.  Zu  meiner  Konfirma
tion  bekam  ich  nun  von  meinem  Onkel  ein  besseres  Mikroskop  geschenkt,  das  die
Objekte  450mal  vergrößert.

Es  besteht  aus  einem  u-förmigen  Fuß,  dem  Tubus  und.  dem  Objekttisch.  Unter
diesem befindet sich ein Linsensystem, durch das die Lichtstrahlen, die vom Spiegel
auf  das  Objekt  gewoirfen  werden,  auf  einem  Punkt  vereinigt  werden  können.  Vom
Objekt  werden  die  Strahlen  durch  das  Objekt  geleitet  und  gelangen  durch  ein
längeres  Rohr,  den  Tubus,  zum  Okular.

Wenn  ich  mit,  dem  Mikroskop  arbeite,,  so  stelle  ich  es  ziemlich  nah'e  an  das
Fenster,  aber  nie  unmittelbar  in  den.Lichtein,fall.  Dainefoen  stelle  ich  den  Kasten  mit
den Objektträgern und einen anderen mit den Deckgläsern. Die' Objektträger sind
rechteckige Gläschen, die etwa 6 cm lang, 2 cm .breit und 1 mm d.ick sind. Die
Deckgläschen sind so groß wie mein P'a'umennagel und haben meist quad'ratische
oder wenigstens rechteckige Form. Sie sind so dick wie starkes Papier. Neben die
sen  beiden  Kästchen  steht  ein  drittes,  das  eine  Pinzett'e,  zwei  Präpariernadeln,
eine Rasierklinge und ein kleines Messer enthält. Außerdem besitze ich noch zV/ei
kleine  Flaschen  mit  roter  und  blauer  Farbe.

Einige Tage zuvor mache ich mir einen Strohaiufguß. Von ihm lege ich einen
Tropfen  auf  einen  der  Objektträger  und  schiebe  ein  Deckgläschen  'darü'ber.  Mit
zwei Klamimern wird das Präporat am Obje.kttisch festgehalten. Mit ein'Om Zahn
rad drehe ich den Tubus mit dem Objektiv so tief, daß das Objekt fast .das Deck
gläschen berührt. Oann stelle ich den Spiegel so, daß .das Präparat vollständig
ausgeleuchtet  ist.  Nun  setze  ich  das  Okular  auf  den  Tubus  und  seihe  mit  dem  rech
ten  Auge  hindurch.

Zuerst  erblicke  ich  leinigie  verscNwomimene  Schatten,  die  sich  hin  und  her  bewe
gen.  Ich  drehe  den  Tubus  solange,  bis  ich  auf  einmial  eine  Menge  kleinier,  durch
sichtiger  Tiere  sehe,  die  überall  beiriumflitzen.  Im  linnern  der  Tiere  erblicke  ich
Punkte  und  Strichei,  die  ma.n  aber  meistens  nicht  gut  enkennen  kain.n,  d'a'  die  Tiere
sich imm'erfoirt bewegen.

Ich  lege  auch  Blattdiurchschnitte  unter  das  Mikroskop  und  untersuche  ihre  Zellen.
Das alles macht mir viel Freude und erregt meine Bewunderung übe-r diese groß
( O l l i  m )
a r t i g e  W e l t 

K l e i n e n . 

i m 

J . 

B ' ü n i n g . 

2 5

�Ein Pfingstmorgen

Wieder war eine Stunde vergongen, und die Uhr mahnte mich, endlich einzu
schlafen. irgendeine innere Unruhe hielt mich wach. Ich bemühte mich eine weitere
Viertelstunde, Schlof zu finden. Als ich aber, anstatt schläfrig zu werden, wach
und wacher wurde, sprang ich kurz entschlossen aus dem Bett und begann, mich
in oller Ruhe anzukleiden. Am Himmel zeigte sich eine trübe Färbung, die auf den
nohendien Tag schließen ließ. Meine Schuhe in der Hand„ schlich ich mich aus dem
Schlafzimmer  zum  Hundehaius.  Dort  war  „Anka",  ein  Langhaardackel,  unterge
bracht. Sie hatte mich schon gehört und stand leise winselnd vor der Tür. Ich zog
meine Schuhe an. Leise schlichen wir uns davon. Draußen lag ein wei(3er Morgen-
nebel. Es war noch nicht viel zu sehn, aber von Minute zui Minute wurde es heller,
und  der  Dunstschleier  lichtete  sich.  Nur  in  den  Bodensenkungen  blieb  ein  weißli
cher  Vorhang  zurück.

Da bedauerte ich es nicht mehr, nicht eingeschlafen zu seinj Ein leises Ziehen
des Hundes erinnerte mich daran, schneller weiterzugehen, immer dem schmalen,
ausgetretenen Pfad nach,, der zu den hohen Fichtenwäldern führt, die das Egge
gebirge trägt. Ernst und dunkel nahmen sie sieh aus in der klaren, stillen Morgen
luft, die noch von keinem Laut durchdinungen war als dem Scharren des Hundes
und  dem  GeröuSch  meiner  Schritte.  Von  hier  aus  hieß  es  vorsichtiger  gehen;  denn
hier begann das Reich der Rehe u|nd des Rotwildesl, die im Eggegebirge noch ver
hältnismäßig zahlreich anzutreffen sindi. Der Hund zitterte vor Aufregung und zog
wild an der Leine, so daß ich einen schnelleren Gong anschlagen mußte.
Lange schlichen wir so durch den Wald', bis zwischen den Bäumen der nunmehr
schon helle Tag hindurchzuschimlmern begann. Nun mußten wir noch leiser auftre
ten, und ich, machte den Hunid los, damit er weniger Geräusch verursachte. Doch
als wir an den Waldesrand kamen, war weit und breit keine Spur auch nur eines
Hasien zu sehen. Nun bewegten wir uns stets mit dem Waldrand auf einer Höhe,
so daß wir immer den freien Gebirgsrücken vor Augen hatten, von dort aber
nicht ohne weiterels gesehen werden konnten,.

Plötzlich schoß der Hund auf die ersten Böumchen einer Fichtenschonung los
und  verschwand  mit  Gekläff  unter  dem  tiefhängenden  Gezweig.  iDort  mußte  er
wohl ein Scbmalreh aufgestöbert haben; denn ich hörte ein kurzes^ helles Schrek-
ken, dann sah ich ein paar Stämmchen schwanken. Alle Disziplin außer acht las
send,  stürzte  der  Hund  mit  Gebell  dem  fliehenden  Reh  nach  und  zerriß  so  die
Stille dieser Morgenstunde. Nach einiger Zeit kam er mit hängender Zunge nach
gelaufen.
Währenddessen war ich auf einen Hochsitz gestiegen; der Hund wartete unten
geduldig. Aber auch von dort oben aus war nichts zu entdecken. Schon kletterte
ich wieder abwärts, da bemerkte ich, auf der Leiter stehend, wie sich etwa 50 m
vom Hochsitz entfernt eine Hirschkuh aus der Schonung schob. Vorsichtig sichernd
und  immer  wieder  windend  trat  sie  im  Stechschritt  auf  die  Lichtung.  Plötzlich  ver
nahm ich ein kurzes Fiepen undl sah ein kleines, gesprenkeltes Hirschkalb, das aus
den Fichten kam. Aber nicht vorsichtig, wie die Alte windend, sondern springend
hüpfte es hervor, wie ein kleiner Ziegenbock sich immer wieder mit allen vier 8ei-

2 6

�nen abstoßend^ spraog in ,die Luft und schien sich über den Tag aiusgeiessen zu
freueni
Longe sah ich ihnen iso zu. Ich konnte nicht genug belkoimrnen von dler Le
bensfreude, die aus dem munteren Tun des Kleinen sprach, wurde aber plötzlich
in meinen Betrachtungen geslört. Scheinbar bekam die Alte plötzlich Witterung
von mir, stutzte und verschwand mit dem Kalb zwischen den Fichtem
Nach einigem Mimuten hörte ich sie. noch einmal schrecken, und leise schlich ich
mich davon, um den Zauber, der . über dieser Morgenstunde lag, nicht zu zerrei
ßen. — Dies war wohl der schönste Pfingstmoirgen, dien ich fe erlebt hatte.
Klein  (Uli  so)

2 7

�Elster  und  Katze

Ein«  Elster  und  eine  Katze  saßen  in  einem  Baum.  Plötzlich  fing  die  Elster  an
zu reden. Sie sagte; „Alte Katze, jeden Tag liegst du om Ofen und schläfst. Ich
aber  fliege  in  der  weiten  Welt  herum."

Die Katze entgegnete ihr; „Du bist ein Dieb. Du stiehlst ja den Menschen ihren
Schmuck.  Ich  aber  bin  ein  nützliches  Tier.  Ich  fange  den  Bauern  die  Mäuse  und
Ratten  weg.  Daher  sind  die  Menschen  gut  zu  mir."

Danüber geriet die Elster in großen Zorn und wollte der Katze die Augen aus
hacken. Doch da hörte an einen iauiten Schuß. Ein Jägersmann hatte die Elster
abgeschossen. Die Katze aber zog lachend ihren Schwanz ein und verschwand.
H a n s K l e i n h ö l t e r  ( V t b )

I I .

Eine Katze lag schnurrend .auf der Fensterbank und blinzelte träge in die
Sonnej Die Hausfrau hatte gerade die Fenster geputzt. Damit ihr Ring nicht naß
würde, hatte sie ihn neben die Katze auf das Fenisterbrett gelegt und gesagt;
„Paß gut auf den Ring auf, Kasimirl Ich darf ihn nicht verlieren."

Da Kasimir sehr müde war, schlief er ein und merkte nicht, daß eine diebische
Elster  auf  dem  Baum  vor  dem  Fenster  auf  diesen  Augenblick  gewartet  hatte.  Plötz
lich  fuhr  Kasimir  hoch  und  sah,  wie  die  freche  Elster  schon  auf  den  blitzenden
Ring  zuschoß.

Kasimir legte seine Pfote schützend über dien Ring.
„Gib den Ring her! schrie die Elster. Kasimir aber ließ die Pfote nicht von

dem  Ring.

In diesem Augenblick erfaßte die Hausfrau, die hinter dem Vorhang gestanden
hatte, die Elsterj riß ihr den Ring aus dem Schnabel und schleuderte den Dieb aus
dem  Fenster.  Ihren  Kasimir  aiber  streichelte  sie.  Michael  Lü  h  n  (VI  b)

Winterabend auf Bahnsteig 2 des Hauptbahnhofes

Der Bahnsteig ist feucht vom Nebel, der sich langsam auf die Erde senkt. Der
Himmel  ist  stochdumkel.  Ab  und  zu  zieht  ein  Windstoß  durch  den  leeren  Bahnhof.
Die Glühbirnen unter dem Dach des Bahnsteigs schaukeln gleichmäßig. Der Schat
ten einiger Gegenstände verlängert und verkürzt sich. Ein Schauer überfällt mei
nen Rücken. Gemächlichen Schrittes gehe ich bis zum Ende des Bahnsteiges. Die
Lampen an den Masten werfen trübes Licht auf die silbern glänzenden Schienen.

2 8

�Em juinger Mann steigt die Treppen herauf. Auf der Plattform sieht er sich
hastig um. Sicher will er nachsehen, ob sein Zug schon weg ist. Dann schaut er
auf die Uhr. für den ersten Augenblick ist er beruhigt und holt tief iuft. £r hat
noch Zeit. Er schlägt seinen Mantelkragen hoch, U'in sich vor dem Wind zu schüt-
zen. Danach reibt er sich die Hände, tritt von einem Bein auf das andere und
flötet leise vor sich hin. Es sieht so aus, als ob er sich warm machen will. Ich
glaube ober, daß Unruhe dahinter steckt.

Jäh werde ich aus meinen Beobachtungen herausgerissen. Dos Rattern eines
gelben Wagens durchbricht die Stille. Mit ungleichmäßigem Kloppern nähert er
sich. Mühsam schiebt ein Postarbeiter den vollbeladenen Wagen an uns vorbei.
Hin und her schwanken die hoch aufgestapelten Pakete und Päckchen.

Unser Zug muß bald kommen. Ich schaue in die Richtung, aus ider er kommen
muß. Nachdem der Uhrzeiger ein Stückchen vorgekrochen ist, tauchen die Lichter
einer Lok im Nebel ouf. In der letzten Kurve schwenken sie herum und rasen ge
radewegs auf uns zu. Einige Minuten später sitze ich in einem warmen Abteil

Ulrich  Vieth  (Olllsa)

Weihnachten  in  Tschiertschen

Tschiertschen liegt in der Schweiz, in der Nähe von Chur. Die Häuser stehen
zusammengedrängt ouf einem kleinen Hügel. Dieser lehnt sich an eine Bergwand
on. Alle Wohnhäuser sind aus Holz gebaut und sind meistens zweistöckig. Zwi-
chen ihnen sieht man das Postamt, eine Gastwirtschaft und — die Kirche.

Wir hatten uns die obere Etage eines der Hoizhöuschen gemietet. Es hatte ein
Wohnzimmer,  eine  Küche,  ein  Bad  und  zwei  Schlafzimmer.  Die  Räume  wurden
von  einem  eisernen  Ofen  geheizt,  der  im  Flur  stand.

Einfach, aber wunderschön: das war unser erster Eindruck von Tschiertschen.
Der Wald, welcher sich den Beirghang hinoiufzog, bestand aes Lärchen, Fichten
und Kiefern. Graue, grüne oder broune Flechten hingen wie Bärte von ihren Ästen
und Zweigen. Zwischen den Stämmen glitzerte der Schnee.

Das  schönste  Skigebiet,  das  ich  bis  dahin  gesehen  hatte,  war  das  von  Tschiert
schen.  Wir  stiegen  täglich  wohl  fünfmal  den  Hang  hinauf  und  hatten  dann  eine
wohl  zwei  Kilomieter  lange Abfahrt  zum  Dorfe.

Da  schönste  ober,  was  ich  in  Tschiertschen  erlebte,  war  das  Weihnachtsfest.
Als  es  dämmerte,  gingen  olle  Einheimischen  und  alle  Gäste  in  die  kleine  Dorf-
kirchev Was mich dabei so tief beeindruckt hat, wüßte ich kaum zu sagen. Ich
könnte es auch kaum in Worten wiedergeben.. Ich weiß nor, daß es tiefe Nacht
war,  als  wir  die  Kirche  verließen,  und  daß  ich  nie  wieder  ein  Weihnachtsfest  als
so  schön  empfunden  habe  wie  dies. 
j.  Büning  (CHI  m)

2 9

�Prügelknabe ?

Drei Tage im Schuljahr sinid die Gemüter erregt. Dos sind die Tage nach der
Kiliassensprecherwahl: „£r" hat wieder seine Hand im Spiel gehabt. „Er" hat die
Kandidaten ausgesucht. „Er" hat sich sogar über den Willen der Klasse hinweg
gesetzt umd „sein" zahmes Lämmchen durchgebracht. — Der arme „Würdenträger"
selbst hört in der Klasse schmeichelhafte Worte. Er weiß drei Tage lang nicht, wie
er sich bewegen soll. Dann ist alles wieder beim altem

Im Verlauf des SchuiLjahres wird der Sprecher noch zwei- oder dreimal eine
Pausenlänge bearbeitet und'anschließend vorgeschickt, eine Freistunde oder einen
aufgabenfreien Nachmittag herauszuschinden. Er darf bei jeder Gelegenheit Geld
einsammeln, er ist es imimer gewesen; er wird bereits ousgelachti, bevor er über-
hauipt  seinen  Mund  aufgemacht  hat.

Das  ist  ein  trübeis  Bild  —  und  außer  denen,  die  gern  ein  bißchen  aus  dem
Hintergrund hetzen und sich so billigen Ruihm bei dummen Lachern holen wollen,
bedauert das jeder. Was ist da zu tun?

Erstens  muß  man  von  der  neuen  Satzung  unserer  Schülermitverantwortung  etwas
mehr kennen als die beiden Sätze: „Die Wahl (des Klassensprechers) ist geheim"
—  und:  ,/Der  Klassenlehrer  nimmt  auf  den  Wahlausgang  keinen  Einfluß."  Viel
Zündstoff wäre beseitigt, wenn auch einige der anderen Regeln beachtet würden:
Der  Klassensprecher  verfehlt  seine  Aufgabe,  „wenn  er  in  ständiger  Op
position  zum  Lehrer  steht."
Der Klassensprecher soll „die Rechte und Wünsche seiner iKIasse ...
klug  und  taktvoll  vertreten."
„Zum  Klassensprecher  kann  nur  gewählt  werden,  wer  mindestens  seit
einem  Jahr  der  Klassengemeinschaft  angehört."
„Der  Klassenspnecher  soll  befriedigende  Leistungen  aufweisen."
„Der  Klassensprecher  bedarf  der  Bestätigung  durch  den  Klassenlehrer."
„Mißbraucht der Klassensprecher das Vertrauen; so kann ihm das Amt
genommen  werden."

Wer  bei  der  Wahl  diese  Fonderungen  berücksichtigt,  kann  schon  so  etwas  wie
Qual  verspüren,  und  vielleicht  1ut  es,  ihm  leid,  daß  er  nicht  schon  vor  Ostern  mit
einem  Kameraden  darüber  nach.gedachf  hat.  Ihm  dürfte  es  erst  in  zweiter  Linie
wichtig  sein,  ob  zehn  oder  dreizehn  Minuten  der  Mathematikstunde  für  die  Wahl
geopfert  werden  müssen.

Aber  hören  wir  weiter  die  Satzung:

Der Klassensprecher „hat vor Klassenveranstaltungen (Wanderlag, Klas
senfahrt) die Klasse nach ihren Wünschen und Vorschlägen zu fragen und
diese  dem  Klassenlehrer  vorzutragen."

3 0

�„Er hat die Tagesordnun-gen und Beschlüsse der Sitzungen des Schüler-
und Oberroiies seinen Kliassenkaimeraden mitzuteiilen, sie mit ihnen zu
besprechen  bzw.  sie  zu  erläutern,"

Do hoben wir's! Diese Satzung ist völlig unmodern! Denn sie verlangt zweitens,
daß man zuweilen schweigen soll — weil der Klassensprecher spricht. Man soll
offenbar auch die Hand heben, wenn man zu reden wünscht; vielleicht sogar des
wegen weiter schweigen,, weil der Sprecher einem anderen das Wort erteilt. Man
soll schweigen, wenn einer etwas Dumimes sagt oder gar etwas, was einem nicht
gefällt.

Wer weiß einen anderen Weg, die Meinung der Mehrheit herauszufinden,

Dummheiten oder Einseitigkeiten zu vermeiden?

Eine unserer diesijöhrigen Abiturklassen hat sich vor zwei Jahren mühevoll und
anfangs unter bitteren Enttäuschunigen auf diesen Weg gemacht, und über das Er
gebnis spricht sie heute noch: über die Berlinfahrt, die sie ganz allein geplant und
bis in die Programme der einzelnen Tage hinein vorbereitet hat. Die Lehrer haben
nur  unterschrieben  und  die Aufsicht  geführt.

Leicht wird es der Klassensprecher nie haben. Er hat ja ein richtiges Amt zu
verwalten. Auch der beste Sprecher ist ganz von seinen KlaBsenkomeraden ab-
härvgig.  Er  ist  das,  was  die  Klasse  aus  ihm  macht.

Vor allem im Anfang wird es viel Verdruß geben. Aber warum gleich den Mut
verlieren?  Das  ist  doch  bei  allen  Sachen  so.  Und  vielleicht  darf  dann  manchmd
ein Lehrer helfen,.. Das ist ihm lieber, als wenn er seine Hand im Spiele haben
m u ß , 
.

v e r h ü t e n . 

ü b l e r e s 

u m 

z u 

d 

. 

. 

„Wie  Ich  mich  einmal  für  Blätter  interessierte"

In  der  letzten  Nummer  unserer  Schulzeitung  standen  zwei  nette  Aufsätze

ü b e r 

d i e 

B l ä t t e r .

Ihr  werdet  euch  erinnern.  Böse  Zungen  behaupten  nun,  das  seien  Strafarbeiten
gewesen.  Das  kann  nicht  sein;  denn  Strafarbeiten  gibt  es  nicht,  und  es  kann  doch
nicht  sein,  was  nicht  sein  darf.  Das  wußte  schon  Korff  bei  Christian  Morgen
s t e r n 

:

Und  er  kommt  zu  dem  Ergebnis:
Nur  ein  Traum  war  das  Erlebnis.
Weil,  so  schließt  er  messerscharf,
nicht  sein  kann,  was  nicht  sein  darf.

Wie  wenig  diese  bösen  Zungen  recht  haben,  ersieht  man  noch  daraus,  daß  die
Verfasser  von  der  Redaktion  Honorar  bekommen  hoben.  Seit  wann  gibt  es  für
Strafarbeiten  Honorar?  Es  waren  also  ganz  gewiß  keine  Strafarbeiten.  Quod  erat!
PI  .  .  .

31

�Hartwig Sepp Faber - eine Namenerklärung

Jeder Name soll ein Vorzeichiein seiin. Die Eltern wollen mit dem Nomen ihrem

Kinde  ihre  Wünsche  mit  auf  den  Lebensweg  geben.

In frühesten Zeiten begnügten sich die Menschen mit einem einzigen Namen.
Dieser  hafte  meist  etwas  mit  Kampf  zu  tun  oder  drückte  Mut^  Reichtum,  edlen
Charakter aus. Sie sind olle germonischen Ursprungs und bestehen aus zwei Teilen.
Zu  ihnen  gehören  Namen  wie  Hartmut  (=  einer  mit  viel  Mut  und  festem  Charak
ter),  Wolfgang  (  =  einer,  der  gern  zur  Wolfsjagd  geht),  Ulrich  (=  einer  mit  viel
Besitz). Zu dieser Gruppe gehört auch mein erster Name „Ho rt w i g". Er besteht
aus  zwei  Teilen,  nämlich  „hart"  und  „wig"  (=  Kampf).  Die  Eltern  gaben  ihrem
Jungen mit diesem Nomen den Wunsch mit auf den Weg,, er möchte ein harter
Kämpfer  werden.

Später kom dos Christentum zu den Germanen. Den Leuten wurden nun die
Geschichten von den Heiligen erzählt und vertrout. Sie hörten vom heiligen Georg,
vom heiligen Antonius, später auch von Sankt Franziskus. Do wollten monche El
tern,  daß  ihre  Kinder  so  würden  wie  die  Heiligen,  und  sie  gaben  ihnen  Nomen
wie Fronz, Georg (Jürgen), Anton. Auch die Nomen von Bibelgestolten gaben sie
ihren Kindern. Von do kommt mein zweiter Name: Sepp. Es ist eine süddeutsche
Abkürzung  von  „Joseph".  Die  Eltern  wollten,  daß  ihr  Sohn  genou  so  werde,  wie
der  heilige  Joseph  einst  gewesen  war.

Als  um  die  Jahrtausendwende  die  Städte  entstanden  waren,  gab  es  bald  so
viele Leute gleichen Nomens in einer Stadt, daß man sie nur schwer unterscheiden
konnte.  Desihalb  nannte  man  sie  aiußerdem  noch  ihrem  Beruf:  „Hortwig  der  We
ber" oder „Joseph der Fischer". Auch noch merkwürdigen Eigenschaften wurden
sie  benennt.  Der  Erfinder  der  Buchdruckerkunst  hafte  bereits  zwei  Nomen:  Johann
Gensfleisch  (Gutenberg)  hieß  er.  Dos  gleiche  gilt  für  Martin  Luther.

In dieser Zeit, in der Renaissance! veränderten die Menschen ouf einmal ihre
alten Nomen. Sie (übersetzten sie etwa ins Lateinische und meinten dann, sie
wären  mehr  als  vorher.  Zu  dieser  Gruppe  gehört  mein  dritter  Name,  der  Haus
name oder Familienname „Faber". Es ist die Übersetzung von „Schmied" oder
„Schmidt". Der erste Träger dieses Namens war olso Schmied gewesen.

Wenn die Eltern heute ihrem Kinde einen Nomen geben, so wissen sie meist
gar nicht, was er bedeutet. Wenn er schön klingt, genügt ihnen das, was eigent
lich sehr zu bedauern ist. Dann: Nomen est omen. Dos sollte ouch in unserer Zeit
gelten.

Ulrich  Meyer  (Olli  sa)

�Meine  erste  ,,FünP'

Meine erste „Fünf" bekom ich für ein Diktat. Es war im zweiten Schuiijahr. Da
mals wohnte ich bei meiner Großmutter in Berlin. Daß eine „Fünf" etwas Unange
nehmes war, wußte ich noch nicht. Ich hielt sie für eine Note wie jede andere auch.
Ohne jedes Angstgefühl nahm ich also mein Fleft in Empfang und schlug es auf.
Ja, da stand es ganz groß und deutlich: „Fünf!" Mit einem Ausrufungszeichen da
hinter.  Ich  sah  mir  die  Fehler  an.  Da  war  z.  B,  „Nilpferd"  mit  „ie",  „Stuhl"  ohne
„h", „Franzose" mit „h" geschrieben. Zwischen „regnete" und „rechnete" hatte ich
keinen  Unterschied  gemacht.  Bei  dem  Worte  „nämlich"  hatte  der  Lehrer  das  „ä"
so verführerisch lang gesprochen, daß ich ihm — mit besonderem Stolz — ein „h"
angefügt hatte. Aber der Lehrer war anderer Meinung: er hatte einen dicken
roten Strich unter das „h" gemacht.

Ich hatte also eine „Fünf". Eigentlich hätte ich mir ja denken können, daß das
nicht eine andere Bezeichnung für „Gut" war. Aber ich kam seltsamerweise nicht
darauf. Seelenruhig packte ich nach Schulschluß meine Mappe und bummelte nach
Hause, indem ich — wie sonst — mal hier, mal dort stehenblieb, wo ich glaubte,
eine Entdeckung gemacht zu haben. Ich entdeckte damals täglich die wunderschön
sten Dinge auf meinem Schulweg.

Daheim  stand  die  Haustür  offen.  Also  brauchte  ich  nicht  zu  schellen.  Ich  trat
ein  und  ging  geradewegs  in  die  Küche,  auf  Großmutter  zu.  Sie  stand  am  Herd
und kochte das Mittagessen. „Ich hab eine „Fünf" geschrieben", rief ich voll Stolz.
Großmutter  drehte  sich  um  und  sah  mich  eine  Weile  stumm  an.  Sie  machte  ein
Gesicht,  als  ob  sie  ein  schweres  Gewitter  überstanden  hätte.  Mein  Grinsen  mußte
sie wohl für Bosheit ansehen, denn plötzlich hatte ich eine saftige Ohrfeige sitzen.
Was danach kam, weiß ich nicht mehr- Ich weiß nur, daß.mein Respekt vor
Großmutter  eine  Steigerung  erfuhr.  Außerdem  habe  ich  aus  diesem  Erlebnis  zwei
Lehren  für  die  Zukunft  gezogen,  die  nicht  ganz  unnütz  waren,  weshalb  ich  sie
hier preisgebe: erstens nahm ich mir vor, nach Möglichkeit keine „Fünfen" mehr
mitzubringen; da das aber nicht ganz zu vermeiden war, wie sich herausstellte,
hielt ich zweitens darauf, dies den Interessierten stets mit Vorsicht und Schonung
beizubringen, eine Taktik, die sich in meinem Falle — vielleicht hätte ich um der
Wahrheit willen den Plural setzen und sagen sollen: in meinen Fällen — bestens
b e w ä h r t  h a t .

• 

J .  B 

ü 

n 

i 

n 

g 

( O l l i  m )

3 3

�Wa r u m  w i r  z u  H a u s e

eine Tageszeitung halten

Unsere Tageszeitunig wird uns jeden Morgen um acht Uhr ins Haus gebracht.
Zuerst liest meine Mutter dairin. Sie hat ja Zeit dazu, ich bin in der Schule,, und
bis zum Beginn der täglichen Hausarbeit ist es noch ein Weilchen.

Sie  setzt  sich  in  die  warme  Küche  an  den  noch  nicht  obgeräuimten  Frühstücks
tisch  und  liest  zuerst  den  Roman.  Zwischendurch  trinkt  sie  ein  Schlückchen  Kaffee
oder  knabbert  an  irgendeinem  Gebäck.  Nachdem  sie  den  Roman  ausgelesen  hat,
blättert  sie  die  Zeitung  durch,  liest  hier  und  da  einen  kleinen  Artikel,  aber  nur
mit  geteilter  Aufmerksaimikei.  Allenfalls  interessieren  si^e  noch  die  Todesanzeigen.
Meine Mutter behaiuptet, diese halbe Stunde vor der täglichen Hausarbeit mit der
Zeitung  und  der  Tasse  Kaffee  sei  für  sie  die  schönste  des  ganzen  Tages.

Wenn  meine  Mutter  die  Zeitung  fortgelegt  hat,  dauert.es  nicht  lange,
bis mein Großvater sie sich holt. iEr setzt sich mit ihr in seinen bequemen Sessel
ins  Wohnzimmier  und  beginnt  zu  lesen.  Dabei  pflegt  er  eine  Pfeife  zu  rauchen.
Mein  Großvaiter  ist  der  eifrigste  Zeitungsleser  in  unserer  Familie.  Er  liiest  alles,
was  in  der  Zeitung  steht:  von  der  hohen  Politik  über  den  Wirtschaftsspiegel  und
den Stadtanzeiger bis zum Filmprogramim. Das schiimmste, was man tun kann, ist,
ihn  beim  Zeitunglesen  zu  stören.  Ohne  Zeitung  kann  ich  mir  meinen  Großvater
überhaupt nicht vorstellen.

Im  Gegensatz  zu  meinem  Großvater  liest  meine  Großmutter  nur  sehr  wenig
Zeitung.  Es  macht  ihr  zu  viel  Mühe,  sagt  sie.,  Aber  die  wichigsten  Ereignissie  des
Tages  läßt  sie  sich  doch  wenigstens  vorlesen.  Dazu  bestimmt  sie  meistens  mich.
Es  langweilt  mich  nicht,  ihr  vorzulesen.  Denn  ich  interessiere  mich  sehr  für  das,
was  in  der  Welt  vor  sich  geht.  Meistens  .bin  ich  allerdings  zu  bequem,  mir  die
einzelnen  Artikel  genau  durchzulesen.  Ich  überfliege  die  Schlagzeilen  und  schaue
mir vorzüglich die Bilder an. Nur am Samstag nehme ich mir Zeit. Dann lese ich
sogar ausgiebig ,die Kurzgeschichten, Witze und Rätsel, die auf der „Bunten Seite"
s t e h e n .

So haben wir alle in unserer Familie etwas, was uns in der Zeitung besonders

interessiert. Deshalb halten wir die Tageszaitung und möchten sie nicht missen.

H  a  n  s  -  Mainti  n  Jürgens  (OHIsa)

3 4

�Zonengrenzfahrt

Vor kurzem bs ich in einer Zeitschrift einen Artikel mit der Überschrift: ,giften
in Deutschland, mitten im 20. Jahrhundert". Darunter stand etwas kleiner: „Sta
cheldroht, Schlagbäume, Erdbunker, V/achttünme". — Nachdenklich legte ich die
Schrift aus der Hand. Zwar wird es mir — wie wohl vielen „Wirtschaftswunder-
kmdern" — bei der Erwähnung der Zonengrenze immer leicht unwohl. Aber die
ser Artikel „hatte es in sich" — so sehr, daß ich beschloß, mich mit eigenen Augen
zu  überzeugen.

*

Schon zwei Stunden brauste der Interzonenzug durch das waldreiche hesssische
Bergland. Die schmutzigen Vorstädte Kassels blieben im Norden zurück, und der
Schienenstrang folgte dem gewundenen Lauf der Fulda. Da betrat ein Mann in
grauer Uniform unser Abteil und fragte, wer in die Zone reise. Ein ergrauter Herr
stand auf und reichte seine Papiere. Der Uniformierte blätterte sie durch, machte
sich Notizen und gab sie zurück. Gelassen setzte sich der Grauhaarige hin und
schaute nach draußen. Der Vorfall schien ihm vertraut zu seim So verlief meine
erste  Berührung  mit  der  SBZ.

*

Soeben hatten wir, eine Gruppe Jugendlicher, in einem Reisebus Bad Hersfeld
verlassen, um die markantesten Punkte der Zonengrenze zwischen Hessen und
Thüringen kennenzulernen. Unter strahlendem Himmel lag das Wiesen- und Wei
deland der Rhön. Von den Kuppen dieser ehemaligen Vulkanlandschaft schweifte
ider Blick über das Gewoge von Berg und Tal.

Die Zonengrenze rückte näher- Im Bus wurde es lebendig. Fragen, Vermutun
gen,  Vorschläge,  die  das  Stichwort  „Zonengrenze"  betrafen,  wurden  laut.  Unser
Fahrzeug  schwenkte  in  eine  Seitenstraße  ein.  Rechts  leuchtete  auf  einem  Baum
stamm ein mit weißer Farbe gemalter Hinweis für amerikanische Panzer: „Attention
30C0 meters to border!" Plötzlich sprach unser Fahrer ins Mikrophon; „Rechter
Hand  ein  WachtturmI  In  wenigen  Minuten  fahren  wir  an  ihm  vorbei."  Das  Stim
mengewirr verstummte und schwoll wieder an.i Durch mein Fernglas konnte ich den
WachttuTim erkennen, einen quaderähnlichen Kasten, der auf vier hohen Holzstäm
men stand, denen Verstrebungen eine Leiter bildeten. Der Fahrer erklärte weiter:
„Wir fahren jetzt dem Zehn-Meter-Streifen entlang." Richtig! Uber den Abhang
auf der rechten Seite zog sich ein breiter Gürtel frisch gepflügten Ackerbodens
und lief parallel der Straße. Rechts und links breiteten sich Weiden mit grasenden
Kühen  aus,  unterbrochen  von  Obstplantagen.  Ein  friedliches  Bild?  Wer  die  Be
deutung dieses Streifens nicht kannte, erhielt duirchaus einen solchen Eindruck.
Und doch, warum wagte die Bäuerin nicht, die wenige Schritte vom Zehn-Meter-

3 5

�streifen entfernt in einem Gemüsefeld grub, unser Winken zu erwidenn oder auch
nur oufzuschaiuen ? Die 'Erklärung fanden wir bald. Der Wachtturm gab sie. Er
glich einem Hochsitz, von dem allerdings nicht das Ti©r,sondern der Mensch gejagt
wird. Die öberlandleituingen waren abmontiert, nutzlos ragten die Masten.

Später standen wir auf dem Hof der Buchenmühle im hessischen Kreis Hünfeld.
Er war von Stacheldraht zerschnitten. Wohnhaus, Backstube und Brunnen lagen
greifbar, aber unerreichbar hinter dem Draht, der — durchZweige und Stämme
verstärkt — einer Palisade ähnelte. Ein Arbeiter erzählte uns, wie es zur Teilung
dier Mühle kam. Bis 1952 habe der Besitzer sein durch die Demarkationslinie ge
teiltes Anwesen ungehindert benutzen können. Dann hätten sie von Pankow aus
den eisernen Vorhang auch hier heruntengeilassen, um den „Arbeiter- und Bauern-
staat gegen den westlichen Imperialismus zu schützen".

Ich sah mir die enteigneten Gebäude an. Das ehemalige Wohnhaus verfiel
langsam. Sämtliche Fensterscheiben waren zerschlagen. An den Wänden bröckelte
der Mörtel ab, so daß ider nackte Stein durchbrach. Im Dach gähnten große Lö
cher, in der Dachrinne wucherte Unkraut. Der zugeschüttete Brunnen und die Back
stube mit ihren verma.uerten Fenstern und den klaffenden Rissen in der Wand bo
ten  einen  traurigen  Anblick.

Die Szenerie wurde natürlich ausgiebig photographiert, damit man daheim be

weisen könnte, daß es an der Grenze tatsächlich so aussah.

Ich ging langsam den Stacheldraht entlang. Er näherte sich dem Fuße eines
Berges, überquerte einen Bach und verlor sich allmählich im Gebüsch. Nach Grenz
polizisten hielt ich vergeblich Ausschau. Aber noch war mein© Reise ja nicht
beendet.

*

Philippsthol. Neben der Ortstafel stand ein Wegweiser: Nach Vacha 4 km.
Diese Angabe stimmte nicht mehr. Um von Philippsthal nach Vacha zu reisen,
mußte man einen Umweg von etwa 70 km machen. Ein Witz? Keineswegs. Vor der
Errichtung der Zonengrenze waren es wohl 4 km. Heute aber muß man die Kon
trollpunkte Herleshaiusen in der Bundesrepublik und Wartha in der SBZ passieren,
um  nach  Vacha  zu  gelangen.

Wir fuhren an Kalihügeln, Fördertürmen und Schachtanlagen vorbei. Philipps

thal  ist  bekanntlich  reich  an  Kalivorkommen.

Wir hatten die Straßensperre Philippsthal—Vacha erreicht. Mannshoher, dicht
geflochtener Stacheldraht zog sich von der Brückenbrüstung der Werra über die
Straße, stieg über die Mauer eines kleinen Vorgartens und verschwand hinter
einem Bretterzaun durch ein Fenster im Erdgeschoß der Druckerei Hoßfeld. Auf
dem Asphalt jeneits des Drahtes lag Sand, der — wie uns zwei Männer vom Bun-

3 6

�, desgrsinzschtuiz erklärten, die sich bei der Sperre oufhielten — der Spurensiche
rung  dient..  Die  gesperrte  Werrabrücke  führte  zum  Dorf  Vacha,  ich  erkannte  den
Kirchturm  und  davor  —  einen  Wachtturm.

Ich  ging  mit  einer  Gruppe  von  Jungen  über  die  Flußwiesen  dicht  an  die  Werna.
Am andern Ufer erhob sich der Wachtturm. Er war völlig mit Holzbohien verklei
det. Auf dem Turm patroullierten zwei bewaffnete Grenzpolizisten. Sie trugen Uni
formen  nach  sowjelischem  Vorbild-  Wir  winkten  ihnen  zu.  Sie  stutzten,  ddnn  winkten
sie  lächelnd  zurück.  Mein  Nebenmann  zückte  seine  Kamera.  Blitzschnell  wandten
sie uns den Rücken zu. Mein eigener Versuch, sie zu photographieren, endete mit
dem  gleichen  Ergebnis.

Die beiden Beamten vom Grenzschutz hatten die Szene beobachtet. Sie sagten,
das Winken sei nichts Außergewöhnliches. In der Dunkelheit könne man in den
erleuchteten  Fenstern  auf  beiden  Seiten  der  Werra  öfter  winkende  Menschen
sehen, die so ihre Verbundenheit zeigten.

*

Die  Stunde  der  Abfahrt  war  da.  Noch  einmal  prägte  ich  mir  das  Bild  ein:  das
vom  Stach&ldrahr  geteilte  Flaus,  den  Sand  und  den  Wachtturm.  Während  unser
Bus  anfuhr,  blickten  wir  zurück.  Die  Grenzpolizisten  auf  dem  Wachtturm  standen
n e b e n e i n a n d e r  u n d  w i n k t e n 
( O i l s )

. . .  J o s e f  G o e k e 

M e i n  F r e u n d  G e r h a r d

Mein  Freund  Gerhard  ist  fünfzehn  Jahre  alt  und  mittelgroß.  Er  hat  schon  recht
ausgeprägte Gesichtszüge. Er ist ein kräftiger, robuster und mutiger Junge. Seine
Spezialität ist das Fußballspiel. Ich habe noch keinen Gleichaltrigen bj'esser spielen
s e h e n .

Er ist ein Draufgänger. Deshalb kommt es bei ihm nicht selten vor, d_aß er mit
Hautabschürfungen  und  Wunden  das  Spielfeld  verläßt.  Aber  das  übersieht  er.
Auch  ist  er  immer  guter  Dinge.  Wenn  einmal  ein  Mitspieler  eine  Verletzung  hat,
ist  er  immer  der  erste,  der  ihm  beisteht.  Wenn  ihm  jemand  wehe  tut,  so  verzeiht
er  ihm  gern  und  schnell.

Ich  glaubte  anfangs,  daß  er  wegen  seines  dnaufgängerischen  Wesens  auch
innerlich  hart  sei.  Aber  ich  wurde  vom  Gegenteil  überzeugt.  Das  geschah  bei
einem Spaziergang durch den Wald. Dort fanden wir ein ganz junges Eichhörn
chen, das ein Hinterbein verstaucht oder gar gebrochen haben mußte. Es lag fast
bewegungslos am Boden. Wahrscheinlich hatte es schon länger dort gelegen. Es
war  halb  verhungeirt.

Ich  sagte  Gerhard,  er  solle  es  liegen  lassen,  denn  es  werde  die  Fahrt  nach  Hause
nicht  überstehen.  Er  aber  nahm  das  arme,  zitternde  Tierchen  und  barg  es  in  seiner
inneren  Rocktasche,  so  daß  es  gewärmt  wurde.  So  gelang  es  ihm,  das  Eichhörn
chen  sicher  nach  Hause  zu  bringen.  Dort  machte  er  ihm  ein  weiches  Lager  zurecht,
hegte  und  pflegte  es  solange,  bis  es  wieder  gesund  war.

Da  erkannte  ich,  daß  ich  mich  in  Gerhard  geirrt  hatte:  er  war  viel  feinfühliger
m )

m a n c h e r 

a n d e r e . 

R i c h a r d 

a l s 

S c h w a r z 

( O l l i 

3 7

�Vorschau

Nachdem im vergangenen Jahr die Ui s in Dijon zu Gast war, will in diesem
Jahre unsere Olli s (Oslern Ul s) England ,entdecken'. Die Klasse wird während
ihrer Fahrt vom 16. bis 31. Mai, die sie von Dover über Cantenbury — London
Oxford  —  on  Avon  bis  hinauf  nach  Yorlkshire  führen  wirdi,  der  alten  Stadt
York einen mehrtägigen Besuch abstatten. Von den Erlebnissen dieser Studienfahrr
wird die Schulzeitiung wohl in der nächsten Niummer iberich.ten können.

Vorerst wünschen wir allen Schülern der Klasse Oll s schöne Frühlingstage in
,Merry Old England'. Mögen die begleitenden Lehrer ein Einsehen haben und die
armen Schüler nicht über Gebühr mit abendländischer Bildung strapazieren! Das
wünschen  allen  Beteiligten

Die  begleitenden  Lehrer

Wer hat es gemerkt ?

Die Schülerbücherei ist umgezogen. Die Bücherschränke stehen jetzt in dem
schmalen Gang neben dem Eingang zum Zeichensaal, und auf einem Tisch unter
dem Fenster kann man in aller Rehe blättern. Das Elternsprechzimmer am Ende des
Flurs ist zugleich Arbeilsraum für die Bibliothek.

D i e  U h r 

f ü r s  L e b e n

E T E R N S - M fi T I C

M Ü N S T E R  ( W E S T  F. )
Prinzipalmarkt  35  ■  Fernruf  4  47  02

Eigene  Goldsch  m 

iedewerkstatt

3 8

�Wir dürfen danken für diese Verbesserungen und uns darüber freuen, daß
lietzt vieles leichter geworiden ist. Gleich nach Ostern soH ein neues Verzeichnis
für idie Mittel- und Oiberstufenbönde vonbereitet werden.i Vietileicht staunt dann
mancher darüber, was man bei uns alles kostenlos entleihen kann. Seit einigen
Wochen haben wir mehr als 1 5C0 Bände. Es lohnt sich also, wenigstens einmal zu
stöbern. Allerdings muß man sich aufraffen, dienstags und freitags hinzugehen.
Eine kleine Auswahl unserer neuen Bücher bietet vielleicht einen Anreiz:

V e r f a s s e r 

T i t e l 

S i g n a t u r

K a i s e r
S c h n e i d e r
Wachsmann
V.  Braiun
iLang
W e n d t

G a i s e r
K a r d o r f f
K u c k
Rasmiussen
Scharfenberg
B o w m a n
H e r r m a n n

iFreidentihal
Lynes
R a u
F a b e r
Zenger
U N O '
Buchheim
Djilas
Mehnert
Mehnert
Heusinger
Mau-Krausnick

Glubb  Pascha
Rosenstock- H uessy
B a h r
G o l l w i t z e r

Schneider
Pasternak

D e r  k ü n s t l i c h e  M o n d
So  fliegst  du  heute
Radioaktive  Isotope
S t a r t 
i n  d e n  W e l t r a u m
Männer  im  Bleianzug
Friedliche  Verwendung  der
Kernenergie
S c h l u ß b a l l
Feste  feiern  wie  sie  fallen
Männer  entdecken  die  Welt
Die  große  Schlittenreise
Projekt  Wadi  Tharthar
Vo n  S c o t t  z u  F u c h s
Das  große  Buch  der  Ent
deckungen
Die  Party  bei  Herrn  Toikaido
Zuviel  Honig
I n d i r a
Sand  auf  heiligen  Spuren
Kampf  um  die  Pressefreiheit
Was  in  Ungarn  geschah
Das  dritte  Reich
D i e  n e u e  K l a s s e
Moskau,  Asien  und  wir
Der  Sowjetmensch
Befehl 
Deutsche  Geschichte  .  .  .
von  1933  —  1945
J e n s e i t s  v o m  J o r d a n
Frankreich  —  Deutschland
Kriegsbriefe  gef.  Studenten
Du  hast  mich  heimgesucht  bei
N a c h t
P f e i l e r 
Dr.  Schiwago

im  Widerstreit

i m  S t r o m

1 1 2
1 1 5

11 4
1 2 0

1 2 3
118
11 9
1 1 4
1 1 3

121

I I I
U 
I I I
O 
A  2 9
U 1,1
O 
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W  3 1

G  3 5
K  2 9
I I I
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I I I
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I I I
I I I
O 
U 
I I

F  20
L  2 7
R  18
F  21
O 
I I I
G e  3 5
B  51
D  1 3
M  3 6
M  3 7
H  41
M  3 5

G  3 4
G e  3 4
B  5 2
G  3 6

Sch  22
P  7

Die MittelstU'fen'bücher haben in ihrer Signatur diie Bezeichnung ider Klasse
(U III U II), die Oberstufenbücher den Anfangsbuchstoben des Verfassernamens
(A  -  Z),

3 9

�Revolution  in  der  Mathematik?

Bei mathematischen Experimenten im Schlaun-Gymnasium stellte ein Star

mathematiker  die  Behauptunig  auf:

9
Er lieferte sofort den überzeugenden Beweis;

= 

1 

1  —  10  =  81  —  90

Durch  Addition  von  100  ergibt  sich:

1 _ 10 -t- ^ = 81 - 90 -t- -°-

10 _ 9 10
2  -  V  -  2
1 0  1 0  „  1 0  1 0
1 - 2 + 2 - ' " 2 " ^ 2

•  2  -  9  -

1 

= 

9

N.iB.: Wir bitten aber alle Voll- und Schmalspuirmathematiker, den Beweis erst zu

prüfen, bevor er allgemein in die Lehrbücher aufgenomimein wird.
Irgendwo muß ja wohl der Fehler stecken. Aber wo? Das herauszufinden,
überlassen wir den mathematischen Begabungen unter unseren Lesern.

Schriftleitung: Dr. C. Henke, Dr. Fr. Scholmeyer, Dieter Duwenig (Ol sb)
Geschätfl.  Leitung:  Studienrat  Alfred  Heidtmann
Druck: Gutenberg - Druckerei Th. Bröcker, Münster i.W., Bergstr. 71/72
Einzahlungen: Alfred Heidtmann, Konto 12713 bei der Sparkasse der Stadt
Münster  oder  Postscheckamt  Dortmund  Nr.  607  35.
Beitrag zur Altherrenschaft und freiwillige Zuwendungen werden
auf das Postscheckamt Dortmund Nr. 823 76 unseres „Ehemaligen
Paul  Eichel  erbeten.

4 0

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Ol(mo)Um'iäMu^e)i, ^eSJUmüticke.,
CPJiachtpiJkm
Vxfqee&aueA, und Ständet
Sxefi^Uäie, AqaoAien und Su&etiM
Jjnxielc^efiMe.

^iemedotk
R o t h e n b u r g 
3 1
Ältestes Fachgeschäft

I n  M ü n s t e r

�Bediene  Dich  der

i I i l T l I l l T i T

E L E K T R O G E R Ä T E

sind praktisch im Gebrauch

und  einfach  zu  handhaben!

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